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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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schmeichelhaft, als ich erwartet hatte.«
    Der Tag unserer Verlobung war der 4. Februar 1869. Der Verlobungsring war schlicht, aus schwerem Gold. Das Datum war innen eingraviert. Ein Jahr später nahm ich ihn von ihrem Finger und ließ, damit er auch als Eheringseinen Dienst tat, zusätzlich das Hochzeitsdatum eingravieren – den 2. Februar 1870. Seitdem wurde er nie wieder von ihrem Finger abgestreift, nicht einmal für einen Augenblick.
    In Italien, vor einem Jahr und acht Monaten, als der Tod ihrem lieblichen Gesicht die entschwundene Jugend wiedergab und sie so wunderschön aussah, wie sie als Mädchen und als Braut ausgesehen hatte, wollte man ihr den Ring vom Finger nehmen als Andenken für die Kinder. Aber ich verhinderte dieses Sakrileg. Der Ring ist mit ihr begraben.
    Zu Beginn unserer Verlobung begannen die Druckfahnen meines ersten Buches
Die Arglosen im Ausland
einzutreffen, und sie las sie mit mir zusammen. Sie lektorierte sie auch. Von dem Tag an ist sie bis drei oder vier Monate vor ihrem Tod meine treue, besonnene und akribische Lektorin gewesen – eine Zeitspanne von mehr als einem Dritteljahrhundert.
    Donnerstag, 15. Februar 1906
    Susys Biographie wird fortgesetzt – Mr. Langdons Tod – Langdon
Clemens’ Geburt – Ein burlesker Stadtplan von Paris
    Aus Susys Biographie
     
    Als Papa mit Mama verlobt war, schrieb er ihr viele schöne Liebesbriefe, aber Mama sagt, ich bin noch zu jung, um sie zu lesen; ich habe Papa gefragt, was ich tun soll, denn ich (wusste) nicht, wie ich ohne seine Liebesbriefe eine Biographie über ihn schreiben soll, Papa sagte, ich kann aufschreiben, was Mama von ihnen hält, das ist genauso gut. Also mache ich es so, wie Papa sagt, und Mama sagt, es sind die schönsten Liebesbriefe, die je geschrieben worden sind, sie sagt, Hawthornes Liebesbriefe an Mrs. Hawthorne sind ihnen weit unterlegen. Mama (und Papa) wollten zuerst in Bufalo wohnen, und Grandpa sagte, er würde eine gute Pension für sie finden. Aber hinterher sagte er zu Mama, er hat ein hübsches Haus für sie gekauft und es schön einrichten lassen, er hat auch einen jungen Kutscher eingestellt, Patrick McAleer, und ein Pferd für sie gekauft, und das alles wartet auf sie, wenn sie in Bufalo eintreffen; doch wollte er es vor dem »jungen Mann«, wieGrandpa Papa nannte, geheim halten. Was für eine köstliche Überraschung das war! Grandpa fuhr mit Mama und Papa nach Bufalo. Und als sie vor dem Haus vorfuhren, sagte Papa, er glaubt, dass der Inhaber einer solchen Pension denen, die dort wohnen wollten, einen hohen Zimmerpreis abverlangen würde. Und als das Geheimnis gelüftet wurde, war Papa überglücklich. Mama hat mir die Geschichte viele Male erzählt, und ich fragte sie, was Papa sagte, als Grandpa ihm mitteilte, dass die reizende Pension sein Zuhause ist, und Mama sagte, er ist zimlich verlegen gewesen und so glücklich, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. Ungefähr sechs Monate nach Papas und Mamas Hochzeit starb Grandpa; es war ein schrecklicher Schlag für Mama, und Papa sagte zu Tante Sue, er glaubt, dass Livy nie wieder lächeln wird, so untröstlich war sie. Mama hätte keinen größeren Schmerz erleiden können als den Tod unseres lieben Grandpas und keinen, der ihm gleichgekommen wäre, auser Papas Tod. Während Grandpas Krankheit half Mama ihn pflegen und wollte die Hoffnung nicht aufgeben, bis das Ende gekommen war. 14
     
    Sicher ist nichts so erstaunlich, so unerklärlich wie die Belastbarkeit einer Frau. Um den 1. Juni herum fuhren Mrs. Clemens und ich nach Elmira, um bei Mr. Langdons Pflege zu helfen. Während dieser Monate übernahmen Mrs. Clemens, ihre Schwester (Susy Crane) und ich die Pflege, Tag und Nacht, bis zum Ende. Zwei Monate sengender, erdrückender Hitze. Wie viel von der Pflege übernahm ich? Meine Hauptwache war von Mitternacht bis vier Uhr morgens – fast vier Stunden. Meine andere Wache fand mittags statt und dauerte, glaube ich, nur drei Stunden. Die beiden Schwestern teilten die verbleibenden siebzehn Stunden des Tages unter sich auf, und jede versuchte großherzig und hartnäckig, die andere um ihren Anteil an der Wache zu prellen. Man konnte sich nicht darauf verlassen, dass die jeweils Wachehaltende die andere herbeirief – außer wenn ich Wache hatte.
    Jeden Abend ging ich früh zu Bett und versuchte, vor Mitternacht genügend Schlaf zu finden, um für meine Arbeit gerüstet zu sein, scheiterte aber jedes Mal. Schläfrig trat ich meinen Dienst an und blieb

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