Meine geheime Autobiographie - Textedition
ganz offensichtlich ein aufrichtiger Mann. Satan, der vor einer Sonntagsschule sentimentale Albernheiten ausplappert, könnte John D. Rockefeller und dessen Darbietungen in seiner Sonntagsschule in Cleveland nicht parodieren. Wenn John D. mit dergleichen beschäftigt ist, gelangt er an die äußerste Grenze der Groteske. Er kann gar nicht parodiert werden – er selbst ist die Parodie. Ich kenne Mr. Rockefeller recht gut, und ich bin überzeugt, dass er ein aufrechter Mann ist.
Ich glaube auch an die Aufrichtigkeit des
jungen
John D. Wenn er allsonntäglich vor seiner Bibelklasse plappert, entlarvt er sich ganz nach Art seines Vaters. Er steht auf und diskutiert die Bibel mit bewundernswertem Ernst und der Inspiration und Zuversicht eines Idioten – und tut es in aller Ehrlichkeit und in gutem Glauben. Ich kenne ihn, und ich bin ziemlich sicher, dass er aufrichtig ist.
McCall hat den richtigen, den wahren Rockefeller-Riecher. Er schluchzt wie eine Eule und ist allem Anschein nach so glücklich und selbstzufrieden, als hafte seinem Namen kein Makel an, als sei in seinem Register kein Verbrechen verzeichnet. Hören Sie zu – hier ist seine kleine Predigt:
16. FEBRUAR 1906
ARBEITEN, ARBEITEN, SAGT McCALL
Redet im Gespräch mit Sohn von seiner letzten Zigarre
Sonderbericht der New York Times
LAKEWOOD, 15. Febr. – John A. McCall fühlte sich heute so viel besser, dass er ein langes Gespräch mit seinem Sohn John C. McCall führte und ihm viele Begebenheiten aus seiner Laufbahn erzählte.
»John«, sagte er zu seinem Sohn, »ich habe in meinem Leben viele Dinge getan, die mir leidtun, aber nichts, dessen ich mich schämen müsste.
Mein Rat an junge Männer, die Erfolg haben möchten, lautet, dass sie die Welt so nehmen sollen, wie sie sie vorfinden, und dann arbeiten – arbeiten!«
Mr. McCall glaubte, die lenkende Kraft der Menschheit sei die Willenskraft, und zur Illustration sagte er:
»Vor einiger Zeit, John, saßen deine Mutter und ich beisammen und unterhielten uns. Ich rauchte eine Zigarre. Ich rauchte gern ab und zu und genoss eine gute, ruhige Zigarre. Sie nahm daran Anstoß.
›John‹, sagte sie, ›warum wirfst du die Zigarre nicht weg?‹
Ich tat es.
›John‹, fügte sie hinzu, ›ich hoffe, du wirst nie wieder rauchen.‹
Die Zigarre, die ich wegwarf, war meine letzte. Ich beschloss, das Rauchen auf der Stelle aufzugeben, und blieb auch dabei. Das war vor genau fünfunddreißig Jahren.«
Mr. McCall erzählte seinem Sohn viele Geschichten aus seinem Geschäftsleben und schien in einer glücklicheren Gemütsverfassung als sonst. Diese Verfassung war teilweise der Tatsache geschuldet, dass er heute Hunderte von Telegrammen erhielt, die ihn zu der Stellungnahme beglückwünschten, in der er gestern seine Freundschaft mit Andrew Hamilton bekräftigt hatte.
»Vater hat einen ganzen Korb Depeschen von Freunden in Nord, Süd, Ost und West bekommen, die seine Stellungnahme zu seinem Freund, Richter Hamilton, lobten«, sagte der junge Mr. McCall heute Abend. »Die Telegramme kamen von Menschen, die ihm Gesundheit und gute Besserung wünschten. Das hat ihn sehr glücklich gemacht.«
Heute Morgen um drei Uhr hatte Mr. McCall einen Schwindelanfall erlitten, der aber nur leicht war, und er kam wieder zu Kräften, bevor man es für geraten hielt, einen Arzt zu rufen.
Inzwischen sind Milch und Bouillon seine einzige Form der Ernährung. Er nimmt keine feste Nahrung zu sich und verliert rapide an Gewicht.
Um fünf Uhr nachmittags hatten Dr. Vanderpoel und Dr. Charles L. Lindley eine Unterredung im Hause der McCalls und teilten Mrs. McCall und ihrer Tochter Mrs. Darwin P. Kingsley anschließend mit, Mr. McCalls Zustand sei gut und es bestehe keine unmittelbare Gefahr.
Heute Abend gab John C. McCall diese Erklärung ab: »Mr. McCall hat einen sehr positiven Tag gehabt und fühlt sich etwas besser.«
Darauf folgt ein Bulletin von der Art, wie sie Tag für Tag herausgegeben werden, wenn ein König oder eine andere namhafte Persönlichkeit einen positiven Tag gehabt hat und sich etwas besser fühlt – ein Umstand, der den Rest der Menschheit interessieren, aufmuntern und trösten wird, und niemand kann sich erklären, warum.
Jay Goulds Söhne und Töchter bewegen sich heute in den Kreisen, die in New York als beste Gesellschaft gelten – in aristokratischen Kreisen. Vor zehn oder zwölf Jahren heiratete eine seiner Töchter einen adligen Franzosen,einen lauten und albernen Grobian,
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