Meine geheime Autobiographie - Textedition
großen Reise und sein blondes Haar
hinter ihm herflatterte. In ihr schien ich den Jungen von damals wiederzuerkennen. Es war, als wäre
er aus fernster Vergangenheit zurückgekehrt und stünde in seiner goldenen Jugend vor mir. Sie litt
an einer Herzkrankheit, und wenige Tage später fand ihr kurzes Leben ein Ende.
Ein weiterer dieser Schuljungen war John
Garth. Und eines der hübschesten Schulmädchen war Helen Kercheval. Sie wuchsen heran und heirateten.
Er wurde ein wohlhabender Bankier und ein prominenter und geschätzter Mitbürger; vor ein paar Jahren
starb er, reich und verehrt.
Er starb.
Das ist es, was ich über so viele dieser Jungen und
Mädchen zu sagen habe. Seine Witwe lebt noch, und es gibt Enkelkinder. In ihren Pantolettentagen und
in meinen Barfußtagen waren wir Schulkameraden. Auf meiner Reise nach Missouri sah ich auch Johns
Grab.
Als ich neun Jahre alt war,
hatte ihr Vater, Mr. Kercheval, einen Lehrling und eine Sklavin, die viele Vorzüge besaß. Jedoch
hege ich weder für den braven Lehrling noch für die brave Sklavin freundliche oder nachsichtige
Gefühle, denn sie retteten mir das Leben. Eines Tages, als ich auf einem losen Baumstamm spielte,
von dem ich glaubte, er sei an ein Floß angebunden – was er aber nicht war –, kippte dieser um, und
ich landete im Bear Creek. Und als ich zum zweiten Mal unter Wasser getaucht war und wieder an die
Oberfläche kam, nur um ein drittes und letztes Mal zu versinken, ragten meine Finger aus dem Wasser,
und die Sklavin ergriff sie und zog mich heraus. Binnen einer Woche war ich wieder im Wasser, und
jener Lehrling kam genau zum falschen Zeitpunkt vorbei, hechtete hinein und tauchte, tastete auf dem
Grund herum, fand mich, zog mich heraus und schüttelte das Wasser aus mir, und wieder war ich
gerettet. Danach ertrank ich noch siebenmal, bevor ich schwimmen lernte – einmal im Bear Creek und
sechsmal im Mississippi. Ich weiß nicht, wer die Leute waren, die die Absichten einer Vorsehung
vereitelten,die weiser war als sie, aber ich hege noch immer einen Groll
gegen sie. Als ich die Geschichte dieser bemerkenswerten Vorfälle Rev. Dr. Burton in Hartford
erzählte, sagte er, er glaube mir nicht.
Im Jahr darauf rutschte er auf dem Eis
aus und verstauchte sich das Fußgelenk.
Ein weiterer Schulkamerad war John Meredith, der ein ungewöhnlich
liebes und sanftes Gemüt hatte. Auch er wuchs heran, und als der Bürgerkrieg ausbrach, wurde er eine
Art Guerillaanführer auf Seiten der Konföderierten, und man erzählte mir, er sei bei Überfällen auf
unionistische Familien in den ländlichen Gegenden von Monroe County – in früheren Zeiten Freunde und
Bekannte seines Vater –, was Verwüstungen und Blutvergießen angeht, erbarmungslos gewesen. Es
scheint nahezu unglaublich, dass dies der gleiche sanfte Kamerad aus meinen Schultagen gewesen sein
soll; und doch kann es so sein, denn Robespierre war genauso, als er jung war. John liegt seit
vielen, vielen Jahren unter der Erde.
Will Bowen war ein weiterer Schulkamerad, ebenso sein Bruder Sam,
zwei Jahre jünger als er. Bevor der Bürgerkrieg losbrach, arbeiteten beide als Lotsen zwischen St.
Louis und New Orleans. Als Sam noch sehr jung war, stürzte er sich in ein seltsames Abenteuer. Er
verliebte sich in ein sechzehnjähriges Mädchen, das einzige Kind eines sehr wohlhabenden deutschen
Bierbrauers. Er wollte sie heiraten, aber beide glaubten, dass ihr Papa nicht nur nicht einwilligen,
sondern Sam die Tür vor der Nase zuschlagen würde. Doch daran war dem Alten gar nicht gelegen, was
sie nicht wussten. Er hatte ein Auge auf die beiden, und es war kein feindseliges. Das indiskrete
junge Paar begann heimlich zusammenzuleben. Bald darauf starb der Alte. Als das Testament eröffnet
wurde, stellte sich heraus, dass er seinen gesamten Reichtum Mrs. Samuel A. Bowen vermacht hatte. Da
begingen die armen Dinger einen weiteren Fehler. Sie eilten in den deutschen Vorort Carondelet und
überredeten einen deutschen Friedensrichter, sie zu trauen und die Trauung einige Monate
vorzudatieren. Der alte Bierbrauer hatte etliche Nichten, Neffen und Cousins und andere Aktiva
dieser Art, die den Betrug herausfanden, ihn nachwiesen und den gesamten Besitz erhielten. Sam blieb
mit nichts als einer jungen Frau zurück und musste ihren Lebensunterhalt am Lotsenruder verdienen.
Nach ein paar Jahren brachten Sam und ein anderer Lotse einSchiff aus New
Orleans herauf, als unter den wenigen Fahrgästen und der Mannschaft Gelbfieber
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