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Meine geheime Autobiographie - Textedition

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Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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gleiche wie schon seit acht Jahren –
der Geschmack christlicher Schlächter.
    Der amtliche Bericht rühmte und pries recht anständig den
»Heldenmut« und die »Tapferkeit« unserer Truppen; beklagte den Verlust der fünfzehn, die ihr Leben
gelassen hatten, ging auf die Verletzungen von zweiunddreißig unserer Männer ein, die verwundet
worden waren, und beschrieb sogar minutiös und gewissenhaft die Natur dieser Verletzungen im
Interesse künftiger Historiker der Vereinigten Staaten. Es hieß, ein Gefreiter sei von einem
Geschoss am Ellbogen gestreift worden, und der Gefreite wurde namentlich erwähnt. Ein anderer
Gefreiter war von einem Geschoss an der Nasenspitze gestreift worden. Auch sein Name wurde erwähnt –
telegraphisch, für einen Dollar fünfzig das Wort.
    Die Nachrichten am nächsten Morgen bestätigten den Bericht vom
Vortag, führten
erneut
unsere fünfzehn Gefallenen und zweiunddreißig Verwundeten auf,
beschrieben ein weiteres Mal die Verletzungen und vergoldeten sie mit den passenden
Adjektiven.
    Lassen Sie uns jetzt
zwei oder drei Einzelheiten aus unserer Militärgeschichte betrachten. In einer der großen Schlachten
des Bürgerkrieges wurden 10 Prozent der auf beiden Seiten eingesetzten Streitkräfte getötet oder
verwundet. In Waterloo, wo auf beiden Seiten vierhunderttausend Mann kämpften, wurden in fünf
Stunden fünfzigtausend Soldaten außer Gefecht gesetzt, getötet oder verwundet und
dreihundertfünfzigtausend gesund und zu weiteren Abenteuern bereit zurückgelassen. Vor acht Jahren,
als die Schmierenkomödie namens Kubanischer Krieg gespielt wurde, stellten wir
zweihundertfünfzigtausend Mann auf. Wir trugen eine Reihe prahlerischer Schlachten aus, und als der
Krieg zu Ende war, hatten wir zweihundertachtundsechzig von unseren zweihundertfünfzigtausend Mann
verloren, im Felde gefallen oder verschollen, und dank der Tapferkeit unserer Armeeärzte nur
vierzehnmal so viele
in den Lazaretten und Lagern. Wir löschten die Spanier nicht aus –
weit gefehlt. Bei jedem Gefecht ließen wir im Durchschnitt nur
2 Prozent
des Gegners
getötet oder verkrüppelt auf dem Schlachtfeld zurück.
    Vergleichen Sie das mit den großartigen Zahlen, die vom Krater der
Moroseingetroffen sind! Dort, wo auf jeder Seite sechshundert eingesetzt
wurden, verloren wir fünfzehn Mann und hatten zweiunddreißig Verwundete zu beklagen – wenn Nase und
Ellbogen einbezogen werden. Der Feind zählte sechshundert Personen – einschließlich Frauen und
Kindern –, und wir vernichteten ihn vollständig und ließen nicht einmal ein Baby am Leben, das nach
seiner toten Mutter hätte schreien können.
Das ist der weitaus
größte Sieg, den die christlichen Soldaten der Vereinigten Staaten je errungen haben.
    Nun denn, wie ist er aufgenommen worden?
Am Freitagmorgen wurde die glänzende Nachricht mit glänzenden Schlagzeilen aufgemacht, in jeder
Zeitung dieser Stadt von vier Millionen und dreizehntausend Einwohnern. Doch einen entsprechenden
Hinweis in den Leitartikeln dieser Zeitungen suchte man vergebens. Am Freitagabend tauchte die
Nachricht auch in allen Abendzeitungen auf, und wieder schwiegen sich die Leitartikler dieser
Zeitungen über unsere ungeheure Leistung aus. Am nächsten Tag brachten sämtliche Morgenblätter
weitere Zahlen und Details, und noch immer keine einordnenden Zeilen des Jubels oder sonst eine
Einschätzung der Angelegenheit. Die neuen Mitteilungen erschienen in den Abendzeitungen desselben
Tages (Samstag), und wieder kein Wort des Kommentars. In den Leserbriefspalten der Morgen- und
Abendzeitungen von Freitag und Samstag verlor niemand auch nur ein Wort über die »Schlacht«.
Normalerweise strotzen diese Spalten nur so von den Leidenschaften der Bürger; sie lassen keinen
Vorfall, groß oder klein, vorübergehen, ohne dort ein Lob oder einen Tadel, ihre Freude oder ihre
Entrüstung über die betreffende Angelegenheit kundzutun. Doch wie gesagt, während dieser beiden Tage
blieben die Bürger ebenso stumm wie die Herausgeber selbst. Soweit ich herausfinden konnte, gab es
unter unseren achtzig Millionen nur einen, der sich das Recht einer öffentlichen Verlautbarung über
diesen prächtigen Anlass herausnahm – und das war der Präsident der Vereinigten Staaten. Den ganzen
Freitag schwieg er beflissen wie der Rest. Am Samstag aber merkte er, dass seine Pflicht es
erforderte, sich zu äußern, und so griff er zur Feder und kam dieser Pflicht nach. Sollte ich
Präsident Roosevelt kennen – und ich

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