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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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und –
gottverdammmich, ich bess’re mich!
«
    Jetzt möchte ich einen kurzen Absatz aus
diesem Brief zitieren, den ich von Mr. Toncray erhalten habe. Er schreibt:
     
    Zweifellos wissen Sie nicht, wer ich bin. Ich will es Ihnen sagen. In
meiner Jugend lebte ich in Hannibal, Mo., und Sie und ich waren Schulkameraden auf Mr. Dawsons
Schule zusammen mit Sam und Will Bowen, Andy Fuqua und anderen, deren Namen ich vergessen habe.
Damals war ich in der Schule so ungefähr der kleinste Junge in meinem Alter, und man nannte mich nur
den kleinen Aleck Toncray.
     
    An Aleck
Toncray erinnere ich mich nicht, aber die anderen kannte ich ebenso gut wie die Stadtsäufer. Auch an
Dawsons Schulhaus kann ich mich noch genau erinnern. Wollte ich es beschreiben, könnte ich mir die
Mühe sparen, indem ich auf diesen Seiten die Beschreibung aus
Tom Sawyer
einfügte. Ich kann
mich noch an die verschlafenen und einladenden Sommergeräusche erinnern, die von jenem fernen
Paradies für Jungen, Cardiff Hill (Holliday’s Hill), durch die geöffneten Fenster hereinwehten, sich
mit dem Gemurmel der lernenden Schüler vermischten und es durch den Kontrast noch eintöniger
machten. Ich erinnere mich an Andy Fuqua, den ältesten Schüler – einen Mann von fünfundzwanzig
Jahren. Ich erinnere mich an die jüngste Schülerin, Nannie Owsley, ein Kind von sieben Jahren. Ich
erinnere mich an George Robards, achtzehn oder zwanzig Jahre alt, den einzigen Schüler, der Latein
lernte. Ich erinnere mich – in einigen Fällen lebhaft, in anderen undeutlich – an den Rest der
fünfundzwanzig Jungen und Mädchen. Ich erinnere mich sehr gut an Mr. Dawson. Ich erinnere mich an
seinenJungen, Theodore, der so brav war wie nur irgendwer. Tatsächlich war er
unmäßig brav, übertrieben brav, beleidigend brav, abscheulich brav – und hatte Glupschaugen –, und
ich hätte ihn ertränkt, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte. In der Schule waren wir alle
gleichgestellt, und soweit ich mich erinnere, hatte die Leidenschaft des Neids keinen Platz in
unseren Herzen außer in Bezug auf Arch Fuqua – den Bruder des anderen. Im Sommer liefen wir
natürlich alle barfuß. Arch Fuqua war etwa in meinem Alter – zehn oder elf. Im Winter konnten wir
ihn ertragen, weil er dann Schuhe trug und seine große Begabung unseren Blicken verborgen blieb und
wir sie vergessen konnten. Im Sommer hingegen war er uns ein Dorn im Auge. Wir beneideten ihn, denn
er konnte seinen großen Zeh zurückbiegen und wieder loslassen, so dass man ihn in dreißig Meter
Entfernung schnappen hörte. Es gab keinen anderen Jungen in der Schule, der diesem Kunststück etwas
entgegenzusetzen hatte. Was körperliche Unterscheidungsmerkmale angeht, gab es keinen Rivalen –
außer Theodore Eddy, der die Ohren bewegen konnte wie ein Pferd. Aber der war kein echter Rivale,
weil man es nicht hören konnte, wenn er die Ohren bewegte; daher lag der Vorteil ganz bei Arch
Fuqua.
    Ich bin mit Dawsons Schule
noch nicht fertig; in einem späteren Kapitel werde ich auf sie zurückkommen.
    Freitag, 9. März 1906
    Mr. Clemens
erzählt von einigen Schulkameraden aus Mr. Dawsons Schule
in Hannibal – George Robards und Mary Moss – John Robards,
der Weitgereiste – John Garth und Helen Kercheval – Mr. Kerchevals Sklavin
und sein Lehrling retten Mr. Clemens vor dem Ertrinken im Bear Creek –
Meredith, der im Bürgerkrieg Guerillaanführer wurde – Will und Sam Bowen,
Mississippi-Lotsen – Starben am Gelbfieber
     
    Ich spreche von einer Zeit vor über sechzig Jahren. Ich erinnere
mich an die Namen einiger dieser Schulkameraden, und für einen Moment tauchen sogar vereinzelt und
flüchtig ihre Gesichter vor mir auf – gerade lang genug, um sie zu erkennen; dann verschwinden sie
wieder. Ich erhasche einen Blick aufGeorge Robards, den Lateinschüler – wie er
sich schlank, blass und eifrig über sein Buch beugt und sich darin vertieft, seine langen glatten
schwarzen Haare hängen zu beiden Seiten des Gesichts wie Vorhänge an seinem Kiefer herab. Ich sehe
noch, wie er den Kopf zurückwirft und einen der Vorhänge aus dem Gesicht schleudert – scheinbar um
ihn aus dem Weg zu schaffen; in Wahrheit aber, um anzugeben. Damals war es Mode unter den Jungen, so
lange Haare zu tragen, dass sie auf diese Weise zurückgeschleudert werden konnten, mit einem Rucken
des Kopfes. George Robards beneideten wir alle. Denn keiner von uns hatte Haare, die sich für diese
Vorführung eigneten wie seine – außer vielleicht

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