Meine geheime Autobiographie - Textedition
ausbrach. Beide
Lotsen wurden von der Krankheit befallen, und es war niemand da, der ihren Platz am Ruder hätte
einnehmen können. Das Schiff landete 82 an einer Spitze der Insel, um Hilfe abzuwarten. Der Tod der
beiden Lotsen trat rasch ein – und da liegen sie nun begraben, wenn nicht der Fluss die Gräber
ausgehöhlt und die Knochen in die Strömung gespült hat, was vermutlich schon vor langer Zeit
geschah.
Montag, 12. März 1906
Mr. Clemens kommentiert den Mord an sechshundert Moros – Männer, Frauen
und Kinder – In einer Kraterpfanne bei Jolo in den Philippinen – Unsere
Truppen, von General Wood befehligt – Vergleicht diese »Schlacht« mit
verschiedenen anderen Einzelheiten aus unserer Militärgeschichte – Die Haltung
der Zeitungen zu den Mitteilungen – Der Präsident schickt Glückwünsche
Wir wollen jetzt nicht weiter über meine Schulkameraden von vor
sechzig Jahren sprechen, sondern später auf sie zurückkommen. Sie interessieren mich sehr, und ich
werde sie nicht für immer in Ruhe lassen. So stark mein Interesse auch sein mag, für den Augenblick
wird es von einem aktuellen Vorfall verdrängt, der noch interessanter ist. Dieser Vorfall brach am
vergangenen Freitag über die Welt herein, in einem offiziellen Telegramm, das der Befehlshaber
unserer Truppen in den Philippinen an unsere Regierung in Washington schickte. Im Kern geht es um
Folgendes:
Ein Stamm von Moros,
dunkelhäutigen Wilden, hatte sich in der Pfanne eines erloschenen Kraters verschanzt, nicht viele
Meilen von Jolo entfernt; da sie Feinde waren und bitter gegen uns, weil wir seit acht Jahren
versuchen, sie ihrer Freiheit zu berauben, war ihre dortige Anwesenheit eine Bedrohung für uns.
Unser Befehlshaber, General Leonard Wood, schickte Späher aus. Es stellte sich heraus, dass sich die
Zahl der Moros auf sechshundert belief, Frauen und Kinder eingeschlossen; dass sich ihre
Kraterpfanne in einem Berggipfel sechshundertsiebzig Meter über der Meeresoberfläche befand und für
christliche Truppen und christliche Artillerie nur schwer zugänglich war. Dabefahl General Wood einen Überraschungsangriff, an dem er sich selbst beteiligte, um die
Ausführung seines Befehls persönlich zu überwachen. Auf gewundenen und beschwerlichen Pfaden
erklommen unsere Truppen die Anhöhe und nahmen sogar einiges an Artillerie mit. Was für Artillerie,
wird nicht angegeben, an einer Stelle aber wurde etwas mittels eines Flaschenzuges über eine
Entfernung von rund hundert Metern auf einen steilen Hang gehievt. Als man am Rande des Kraters
angelangt war, begann die Schlacht. Unsere Soldaten, fünfhundertvierzig an der Zahl, wurden von
einer Hilfstruppe unterstützt, die zum einen aus besoldeter eingeborener Gendarmerie bestand – wie
viel genau, wird nicht gesagt – und zum anderen aus einer Marineeinheit, deren Zahl ebenfalls
ungenannt bleibt. Aber allem Anschein nach waren die kämpfenden Parteien zahlenmäßig gleich stark –
sechshundert Mann auf unserer Seite, am Rande der Pfanne; sechshundert Männer, Frauen und Kinder im
Innern der Pfanne. Tiefe der Pfanne fünfzehn Meter.
General Woods Befehl lautete: »Die sechshundert töten oder
fangen.«
Die Schlacht – das ist
die offizielle Bezeichnung – begann, und unsere Streitkräfte feuerten mit ihren Geschützen und
tödlichen kleinen Präzisionswaffen in den Krater; die Wilden erwiderten das Feuer heftig,
wahrscheinlich mit Ziegelbrocken – obwohl das lediglich eine Vermutung von mir ist, da die von den
Wilden benutzten Waffen in dem Telegramm nicht benannt werden. Bislang haben die Moros vor allem
Messer und Keulen verwendet; außerdem untaugliche Flinten, wenn sie denn welche eingetauscht
hatten.
Der amtliche Bericht hält
fest, dass die Schlacht anderthalb Tage lang von beiden Seiten mit ungeheurer Heftigkeit ausgetragen
wurde und mit dem vollständigen Sieg der amerikanischen Waffen endete. Die Vollständigkeit des
Sieges wird an dem folgenden Umstand festgemacht: dass von den sechshundert Moros nicht einer am
Leben blieb. Die Genialität des Sieges wird von diesem anderen Umstand bezeugt: dass von unseren
sechshundert Helden nur fünfzehn das Leben verloren.
General Wood war dabei und schaute zu. Sein Befehl hatte gelautet:
»Die Wilden töten
oder
gefangen nehmen.«
Offenbar war unsere kleine Armee der Auffassung, dass das »oder« es
ihnenanheimstellte, ganz nach ihrem Geschmack zu töten
oder
gefangen
zu nehmen, und der Geschmack unserer Armee dort draußen war der
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