Meine geheime Autobiographie - Textedition
März 1906
Susys Biographie – Langdons Krankheit und Tod – Susy
erzählt
von interessanten Männern, denen ihr Vater in England und
Schottland begegnete – Dr. John Brown, Mr. Charles Kingsley, Mr. Henry
M. Stanley, Sir Thomas Hardy, Mr. Henry Irving, Robert Browning,
Sir Charles Dilke, Charles Reade, William Black, Lord Houghton,
Frank Buckland, Tom Hughes, Anthony Trollope, Tom Hood,
Dr. MacDonald und Harrison Ainsworth – Mr. Clemens erzählt von
seiner Begegnung mit Lewis Carroll – Vom Mittagessen bei
Lord Houghton – Briefe von Mr. und Mrs. Clemens an Dr. Brown –
Mr. Clemens’ Bedauern, Mrs. Clemens nicht einen letzten Besuch
bei Dr. Brown vergönnt zu haben
Aus Susys Biographie
Ich habe Mamas frühe Lebensgeschichte mittendrin unterbrochen, um über unsere
Fart nach Vassar zu berichten, denn ich hatte Angst, sonst etwas zu vergessen, jetzt schreibe ich an
der Stelle weiter, wo ich aufgehört hatte. Einige Zeit nachdem Miss Emma Nigh gestorben war, fuhr
Papa mit Mama und dem kleinen Langdon den Sommer über nach Elmira. In Elmira begann Langdon
schwächer zu werden, aber ich glaube, Mama wusste einfach nicht, was ihm fehlte.
Der Grund für die Krankheit des Kindes
war ich. Seine Mutter vertraute ihn meiner Obhut an, und um frische Luft zu schnappen, unternahm ich
mit ihm eine lange Fahrt in einem offenen Landauer. Es war ein rauer, kalter Morgen, darum war
Langdon in Pelze gehüllt, und in den Händen einer fürsorglichen Person wäre ihm nichts geschehen.
Ich jedoch versank schon bald in Tagträume und vergaß meinen Schützling. Die Pelze verrutschten und
entblößten seine nackten Beine. Irgendwann bemerkte es der Kutscher, und ich wickelte ihn wieder
ein, aber da war es schon zu spät. Das Kind war fast erfroren. Eilig kehrte ich mit ihm nach Hause
zurück. Ich war entsetzt über mein Tun und fürchtete die Folgen. Für mein Wirken an jenem
heimtückischen Morgen habe ich mich immer geschämt und mir, so gut es mirgelingen mochte, jeden Gedanken daran untersagt. Ich bezweifle, dass ich damals den Mut
aufbrachte, ein Geständnis abzulegen. Ich halte es für wahrscheinlich, dass ich es bis jetzt nicht
gestanden habe.
Aus Susys Biographie
Schließlich wurde es für Papa Zeit, nach Hartford zurückzukehren, zu diesem
Zeitpunkt war Langdon schon richtig krank, aber Mama beschloss, Papa zu begleiten, und hoffte, die
Reise würde ihm guttun. Doch als sie in Hartford ankamen, wurde Langdon sehr krank, und es stelte
sich heraus, dass er Diptheerie hatte. Er starb etwa eine Woche, nachdem Mama und Papa Hartford
erreicht hatten. Er wurde neben Großvater in Elmira, New York, beerdicht. (Susy ruht dort neben
ihnen. S. L. C.) Danach wurde Mama sehr, sehr krank, so krank, dass sie in Lebensgefahr schwebte,
aber dank all der liebevollen Fürsorge erholte sie sich wieder. Einige Monate später fuhren Mama und
Papa (und Susy, die zu dieser Zeit vielleicht vierzehn oder fünfzehn Monate alt war – S. L. C.) nach
Europa und verbrachten einige Zeit in Schottland und England. In Schottland schlossen Mama und Papa
enge Bekantschaft mit Dr. John Brown, dem Autor von »Rab und seine Freunde«
,
und Pap
schloss Bekantschaft, aber nicht ganz so enge, mit Mr. Charles Kingsley, Mr. Henry M. Stanley, Sir
Thomas Hardy, dem Enkel von Captain Hardy, zu dem Nellson an Bord auf seinem Sterbebett sagte:
»Küssen Sie mich, Hardy«, mit Mr. Henry Irving, Robert Browning, Sir Charles Dilke, Mr. Charles
Reade, Mr. William Black, Lord Houghton, Frank Buckland, Mr. Tom Hughes, Anthony Trollope und Tom
Hood, dem Sohn des Dichters – und Mama und Papa waren zimlich gut mit Dr. Macdonald und seiner
Familie bekant, und Papa lernte Harison Ainsworth kennen.
In der Tat kann ich mich sehr gut an alle diese Männer erinnern mit
Ausnahme des letzten, Ainsworth. Meiner Zählung nach erwähnt Susy vierzehn Männer. Bis auf Sir
Charles Dilke und Mr. Tom Hughes sind sie alle tot.
Wir trafen noch viele andere interessante Leute, unter ihnen Lewis
Carroll, den Autor der unsterblichen »Alice« – allerdings war er nur interessant anzusehen, war er
doch der stillste und schüchternste erwachsene Mann, den ich je kennengelernt habe, ausgenommen
»Onkel Remus«. Dr. MacDonald undmehrere andere lebhafte Redner waren anwesend,
und die Unterhaltung verlief ein paar Stunden lang sehr angeregt, Carroll aber saß die ganze Zeit
stumm dabei, außer dass er dann und wann eine Frage beantwortete. Seine Antworten waren knapp.
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