Meine geheime Autobiographie - Textedition
Ich
erinnere mich nicht, dass er sich in irgendwelchen Einzelheiten erging.
Bei einem Abendessen im Smalley’s
lernten wir Herbert Spencer kennen. Während eines großen Mittagsempfangs bei Lord Houghton
begegneten wir Sir Arthur Helps, der zu der Zeit eine weltberühmte Persönlichkeit war, seither aber
in Vergessenheit geriet. Lord Elcho, ein großer energischer Mann, saß weiter hinten am Tisch. Er
sprach in ernstem Ton über Godalming. Es war ein tiefes dahinfließendes, undeutliches Gemurmel, aber
»Godalming« hörte ich jedes Mal heraus, wenn es aus diesem Gemurmel hervorbrach, und da die Betonung
auf der ersten Silbe lag, schrak ich auch jedes Mal zusammen, weil es wie ein Fluch klang. Mitten
während der Mahlzeit erhob sich Lady Houghton, teilte den Gästen zu ihrer Rechten und zu ihrer
Linken sachlich mit: »Entschuldigen Sie mich, ich habe eine Verabredung«, und entschwand ohne
weitere Umschweife, um diese wahrzunehmen. In Amerika hätte das als fragwürdige Etikette gegolten.
Lord Houghton erzählte eine Reihe entzückender Geschichten. Er erzählte sie auf Französisch, und mir
entging nichts bis auf die Pointen.
An dieser Stelle will ich ein oder zwei der Briefe einfügen, auf
die sich Jock Brown in seinem Brief von gestern oder vorgestern bezieht, den wir in den gestrigen
Bericht aufgenommen haben.
22. Juni 1876
Lieber Doktor Brown,
der Anblick der vertrauten Handschrift hat mich zu
einer glücklichen Frau gemacht. Ich hoffe, wir werden nicht noch einmal so lange ohne Wort von Ihnen
auskommen müssen. Ich wünschte, Sie könnten uns für eine Saison besuchen; es würde Ihnen bestimmt
guttun, Sie und die Ihren wären uns herzlich willkommen.
Wir halten uns derzeit da auf, wo wir auch vor zwei Jahren waren, als Clara
(unser Baby) geboren wurde, auf der Farm auf einer hohen Bergkuppe, wo meine Schwester ihre Sommer
verbringt. Die Kinder sind groß und stark geworden, sie füttern zweimal am Tag die Hühner und Enten
und interessieren sich lebhaft für alleBelange der Farm. Mr. J. T. Fields
leistete uns kürzlich mit seiner Frau Gesellschaft, und seien Sie versichert, dass wir voller
Anteilnahme von Ihnen sprachen. Wir wünschen uns aufrichtig, dass Ihre Gesundheit sich weiter
verbessert; lassen Sie uns so oft wie möglich wissen, wie es Ihnen geht. Die herzlichsten Grüße an
Ihre Schwester. Schöne Grüße auch an Ihren Sohn.
Stets Ihre getreue Freundin
Livy L. Clemens
(1875)
Lieber Doktor Brown,
wir waren so besorgt um Sie, dass es eine große Freude war, die teure vertraute
Handschrift wiederzusehen, doch der Inhalt des Briefes hat uns
unsagbar traurig
gemacht.
Seitdem haben wir oft darüber gesprochen, dass Sie uns unbedingt besuchen müssen. Würde Ihnen die
Ortsveränderung nicht guttun? Könnten Sie sich nicht uns anvertrauen? Wir würden alles in unserer
Macht Stehende tun, damit Sie sich behaglich und wohl fühlen, und Sie haben so viele Bewunderer in
Amerika, die sich glücklich schätzen würden, Sie willkommen zu heißen. Ist es Ihnen wirklich nicht
möglich, zu kommen? Könnte nicht Ihr Sohn Sie begleiten? Vielleicht würde Ihnen diese grundlegende
Veränderung zu neuem Auftrieb verhelfen.
Unsere Kinder sind beide gesund und munter; ich wünschte, Sie könnten sie sehen. Susy bemuttert die
Kleine sehr. Mr. Clemens arbeitet gerade hart an einem neuen Buch. Vor kurzem hat er ein Buch mit
Skizzen herausgebracht, das er Ihnen in ein paar Tagen schicken wird; die meisten sind alt, aber ein
paar neue sind auch darunter.
Ach, Doktor
Brown, wie können Sie Ihr Leben nur als vergeudet bezeichnen? Allein Ihre Schriften haben
unglaublich
viel Gutes bewirkt, und ich weiß, dass man sich nach jeder Begegnung und jeder
Unterhaltung mit Ihnen besser fühlt, ich spreche da aus Erfahrung. Ich fühle mich sogar jedes Mal
besser, wenn ich nur an Sie
denke
. Kann ein Leben, das auf andere einen solchen Einfluss
ausübt, vergeudet sein? Solange Sie am Leben sind, ist die Welt für mich ein lieblicherer und
besserer Ort. Sie fragen, ob Clara »wunderlich, wehmütig und herrisch« sei, so wie Ihre Susy. Wir
glauben, dass sie wunderlicher (drolliger), vielleicht auch herrischer ist, aber nicht annähernd so
wehmütig wie »Ihre Susy«. Das Kindermädchen,das wir in Edinburgh dabeihatten,
musste uns verlassen, um ihre an Schwindsucht erkrankte Schwester zu pflegen. Seitdem haben wir ein
ruhiges damenhaftes deutsches Mädchen. Ich muss etwas Platz für Mr. C. lassen. Denken Sie noch
einmal über
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