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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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gewesen zu sein, und konnten die Angelegenheit in keinem anderen Licht sehen.

    Später, bei Mount McGregor, willigten sie ein, auf die Hälfte des Artikels über Vicksburg zu verzichten, was sie auch taten; sie verzichteten auf
mehr
als die Hälfte – kürzten ihn von zweiundzwanzig Korrekturseiten auf neun, und nur diese neun werden in der Zeitschrift erscheinen. Und sie fügten den bereits gezahlten $ 2500 weitere $ 2500 hinzu. Diese Leute könnten lernen, so gerecht und großzügig wie andere zu sein, wenn sie nur die rechte Ausbildung erhielten.
    An dieser Stelle will ich abschweifen und den Faden später wiederaufnehmen.
    Als ich mit G. W. Cable unterwegs war, um in den Theatern, Hörsälen, Eislaufbahnen, Gefängnissen und Kirchen des Landes öffentliche Lesungen abzuhalten, war ich von den Strapazen der Reise zwangsläufig ermüdet und hörte auf, Briefe zu schreiben, außer an meine Frau und meine Kinder. Dieser Vorgeschmack des Himmels, diese Erlösung von dem Ärgernis, Briefe beantworten zu müssen, war herrlich, ließ mich zuletzt jedoch im Dunkeln über Angelegenheiten, von denen ich damals Kenntnis hätte haben sollen.
    Unter anderem sollten die Angelegenheiten Karl Gerhardts, des jungen Künstlers, Erwähnung finden.
    Zu der Lesepilgerreise war ich am 5. November, dem Tag nach den Präsidentschaftswahlen, aufgebrochen und hatte von da an bis zum 2. März des folgenden Jahres meine Familie nur einmal besucht.
    In diesen vier Monaten hatte Gerhardt auf die Entscheidung jenes saumseligen Komitees gewartet, hatte die ganze Zeit mit Warten verbracht, will sagen herumgesessen und nichts getan, um sich sein Brot zu verdienen. Unbeirrbar hatte er sich um Arbeit in seinem Metier bemüht und in dieser Richtung alle möglichen Schritte unternommen: Er hatte an jeden geschrieben, der dem Vernehmen nach für sich, seine Freunde oder Bekannten einen Grabstein benötigen könnte, und sich auch darum gekümmert, an der Ausschreibung für ein Soldatendenkmal teilzunehmen – für alle möglichenDinge dieser Art –, aber natürlich immer ohne Erfolg; denn sein Name war nicht bekannt. Er hatte keine Reputation.
    Als ich am letzten Tag im Februar in Washington meinen Lesefeldzug beendet hatte, kam ich nach Hause und fand die Dinge so vor, wie ich sie oben beschrieben habe. Gerhardt hatte vier Monate lange auf die Entscheidung des Komitees gewartet, das vier Jahrhunderte gebraucht hätte, um zu einem Entschluss zu gelangen, und ich war überaus gereizt. Ich sagte ihm, er sollte mehr Stolz besitzen, als zuzulassen, dass ich ihn und seine Familie die ganze Zeit über unterstützte, ohne dass er seine müßigen Hände rührte. Er erwiderte, er habe arbeiten wollen und die Demütigung deutlicher als irgendwer sonst empfunden, sich jedoch vor den möglichen Folgen gefürchtet, wenn sich herumgesprochen hätte, dass ein Künstler, der sich um Aufträge für Standbilder und Denkmäler bewarb, nicht etwa in einem Atelier, sondern in der Werkstatt eines anderen zu finden sei. Ich entgegnete, das Argument habe weder Hand noch Fuß, er hätte es sich zur Aufgabe machen müssen, eine Arbeit zu finden: in diesen vier Monaten hätte er Schnee schaufeln oder Holz sägen sollen, und wenn bekannt geworden wäre, dass er auf diese Weise beschäftigt sei, hätte ihm das in den Augen aller, deren Achtung etwas wert war, zur Ehre gereicht. Es war schwer, so deutlich werden zu müssen, doch lag es auf der Hand, dass es zwecklos war, ihm mit bloßen Andeutungen zu kommen: Das hatte ich bereits versucht. Er sagte, er werde sich sofort um Arbeit bemühen.
    Am nächsten Tag kam er an und sagte, er habe eine Arbeit im Geschäft von Pratt & Whitney gefunden und könne auch weiterhin mit Leuten wegen Standbildern korrespondieren, ohne dass diese Arbeit davon beeinträchtigt werde.
    Mir schien, als treffe James Redpaths Definition des Künstlers voll und ganz auf Gerhardt zu: »Ein Mann, der einen Sinn für Schönheit hat, aber keinen Sinn für Verantwortung.«
    J. Q. A. Ward hatte mir einmal erzählt, als er von seinen frühen Bemühungen sprach, sich einen Namen als Bildhauer zu machen, er habe sich zu Beginn in den Ateliers angesehener Bildhauer herumgetrieben und dort jede Art von Gelegenheitsarbeiten verrichtet, nur um sich sein Brot zu verdienen.Diese Idee hatte ich an Gerhardt weitergegeben, doch in seiner Antwort aus Paris hatte er sie geradezu entrüstet von sich gewiesen, da kein wahrer Künstler sich zu so etwas durchringen könne; daran

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