Meine geheime Autobiographie - Textedition
nicht, dass sein Name bei dieser Transaktion bekannt würde, er müsse sich den Anschein geben, als sei er in einer anderen Angelegenheit im Büro von Grant & Ward, und dürfe nicht riskieren, mit Chaffee zu sprechen, oder das Geschäft werde nicht zustande kommen.
Hier
also sei ein Mann, der sich etwas darauf zugutehalte, ein kluger Geschäftsmann zu sein, und doch habe Ward ihm $ 300 000 gestohlen, ohne ihm zum Beweis, dass die Transaktion tatsächlich stattgefunden hatte, auch nur einen Fetzen Papier zu übergeben. Heute tauche dieser Mann nicht unter den Klägern gegen Ward auf, vielleicht weil er lieber all das Geld verlieren wollte, als ruchbar werden zu lassen, dass er sich auf so kindische Weise hatte betrügen lassen.
General Grant erwähnte einen anderen Mann, der sehr wohlhabend war und den niemand, sei es in geschäftlichen oder in anderen Dingen, als Narren zu bezeichnen gewagt hätte, und doch kam dieser Mann eines Tages ins Büro und sagte: »Ward, hier ist ein Scheck über $ 50 000. Im Moment habe ich keine Verwendung dafür. Ich trete eine kurze Reise nach Europa an; verfahren Sie damit nach Belieben, und sehen Sie zu, was Sie ausrichten können.« Ich war dabei, als der Gentleman einige Zeit später, von seiner Reise zurückgekehrt, im Büro vorstellig wurde. Er fragte Ward, ob er mit dem Geld etwas ausgerichtet habe. Ward sagte: »Warten Sie einen Augenblick«, ging zu seinen Büchern, blätterte darin, murmelte einige Augenblicke lang etwas vor sich hin, stellte einen Scheck über $ 250 000 aus und überreichte ihn mit der Miene eines Menschen, der nichts ausgerichtet hatte, was der Rede wert sei! Der Mann starrte einen Augenblick lang auf den Scheck, dann gab er ihn Ward zurück und sagte: »Das ist sehr anständig, lassen Sie die Henne noch mal brüten«, und mit diesen Worten ging er weg. Das war das letzte Mal, dass er auch nur irgendetwas von seinem Geld sah.
Während der General sprach, hatte ich einen Narren nach dem anderen entdeckt, aber diese Geschichte brachte mich zur Besinnung. Ich versetztemich in die Lage dieses Burschen und gestand mir ein, dass ich, hätte ich in seinen Kleidern gesteckt, mit einer Wahrscheinlichkeit von hundert zu eins genauso gehandelt hätte wie er, und jedenfalls war ich mir völlig darüber im Klaren, dass es in der ganzen Christenheit keinen Prediger und keine Witwe gab, die nicht das Gleiche getan hätten, insofern solche Leute immer Geldanlagen suchen, die unrechtmäßig hohe Summen abwerfen; und nie oder nur selten halten sie inne, um die Natur des jeweiligen Geschäfts zu hinterfragen.
Als ich mich zum Gehen anschickte, begleitete mich Colonel Fred Grant nach unten, und zu meinem Erstaunen vertraute er mir an, dass die Ärzte versuchten, seinem Vater den Ernst der Lage zu verheimlichen, in Wahrheit aber glaubten, der Tod sei nahe und er habe nicht mehr länger als zwei oder drei Wochen zu leben.
Das war um den 21. Februar 1885.
Nach dem 21. Februar war der General, soweit seine Kräfte es zuließen, täglich mit der Überarbeitung seines Buchmanuskripts befasst. Colonel Grant las ihm gewissenhaft daraus vor, währenddessen der General seine Korrekturen anbrachte. Damit verlor er zwar kostbare Zeit, denn bislang waren erst die Hälfte oder zwei Drittel des zweiten und letzten Bandes niedergeschrieben, doch war ihm mehr daran gelegen, dass das, was er geschrieben hatte,
vollkommen korrekt
sei, als dass das Buch fehlerhaft zu Ende gebracht würde und er nicht mehr in der Lage wäre, es zu korrigieren. Er hatte ein vorzügliches Gedächtnis, und jeder andere mit einem solchen Gedächtnis hätte sich ohne Bedenken darauf verlassen. Nicht so der General. Ganz gleich, wie sicher er sich eines Fakts oder eines Datums war, gab er sich nicht damit zufrieden, bis er es anhand der amtlichen Dokumente überprüft hatte. Diese ständige sorgfältige Einsicht der Akten kostete eine Menge Zeit, die aber nicht verschwendet war. Sämtliche Tatsachenbehauptungen in General Grants Buch können voller Vertrauen als durch und durch zuverlässig angesehen werden.
Da wir schon einmal von seinem Gedächtnis sprechen, was war das für eine wunderbare Maschine! Eines Tages erzählte er mir, er habe nicht einen Bericht über die »Schlacht in der Wildnis« verfasst, bevor sie nicht vorbeiwar und er sich wieder in Washington aufhielt. Erst danach setzte er sich hin und verfasste aus dem Gedächtnis einen vollständigen Bericht, und als er damit fertig war, las er die
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