Meine geheime Autobiographie - Textedition
Ich bejahte. Mitgroßer Munterkeit fuhr sie fort: »Was für einen guten Einfall Sie da hatten, Mr. Clemens!« Sie brachte ihre lebhafte Dankbarkeit auf verschiedene Weise zum Ausdruck, bis ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, ich hätte mir ein großes Verdienst erworben, da mir die großartige Idee gekommen war, von einem so hervorragenden Künstler eine Büste des Generals anfertigen zu lassen. Meine Klugheit werde ich nicht in Misskredit bringen, indem ich behaupte, irgendetwas unternommen zu haben, um den Eindruck zu entkräften oder zu dämpfen, ich selbst hätte die Idee gehabt und sie durch Fleiß und Einfallsreichtum bis zum gegenwärtigen Stadium entwickelt.
Und Mrs. Jesse Grant fügte hinzu: »Wie sonderbar, erst vor zwei Nächten träumte ich, ich hätte die Büste von Ihnen in
Huckleberry Finn
betrachtet und gedacht, wie nahezu vollkommen sie sei, und dann hatte ich den Einfall, zu Ihnen zu kommen und Sie zu fragen, ob Sie den Künstler nicht ausfindig machen und dazu bewegen könnten, eine Büste von Vater anzufertigen!«
Die Sache machte ausgezeichnete Fortschritte!
Anwesend waren Colonel Fred Grant, Mrs. Jesse Grant und Dr. Douglas.
Ich ging hinunter, um Gerhardt zu holen, und er brachte die Büste nach oben und enthüllte sie. Die anwesenden Familienmitglieder riefen aus, wie gelungen das Bildnis sei, und Mrs. Jesse Grant erging sich mir gegenüber in weiteren unverdienten Danksagungen.
Die Familie begann Einzelheiten zu erörtern, dann nahmen sie sich zusammen und baten Gerhardt um Verzeihung, weil sie die Büste kritisiert hätten, worauf er erwiderte, ihre Kritik sei genau das, was er wünsche, und bat sie fortzufahren. Die Frau des Generals sagte, unter diesen Voraussetzungen wären sie gern bereit, auf gewisse Ungenauigkeiten hinzuweisen, allerdings dürfe er ihre Bemerkungen nicht als Kritik an seiner Kunst auffassen. Es handelte sich um zwei Ungenauigkeiten: die Form der Nase und die Form der Stirn. Alle waren sich einig, dass die Stirn nicht geraten sei, doch um die Nase gab es einen lebhaften Streit. Einige behaupteten, die Nase sei beinahe richtig getroffen – die anderen behaupteten, sie sei völlig verfehlt. Die Frau des Generals kniete sich auf die Ottomane, um einen besseren Blick auf die Büste werfen zu können, die anderen standen um sie herum – alle redeten durcheinander. Schließlich sagte die Frau des Generals zögernd und mit derMiene eines Menschen, der Angst hat, sich zu große Freiheiten herauszunehmen und zu viel zu verlangen: »Wenn sich Mr. Gerhardt Nase und Stirn des Generals selbst ansehen könnte, wäre der Streit sofort beendet«; und gleich darauf: »Der General ist nebenan – ob Mr. Gerhardt wohl hinübergehen und die Korrekturen selbst vornehmen würde?«
Die Sache machte tatsächlich ausgezeichnete Fortschritte!
Natürlich verlor Mr. Gerhardt keine Zeit, seine Bereitschaft auszudrücken.
Während die Kontroverse um Nase und Stirn des Generals fortdauerte, gesellte sich Mrs. Fred Grant der Gruppe zu, und bald darauf verschwand eine Dame nach der anderen, und alle drei kamen nach ein paar Minuten mit einer Handvoll Fotos und handgemalten Miniaturen des Generals zurück.
Diese Bilder waren in allen Teilen der Welt angefertigt worden, eins davon in Japan. Aber so gut viele dieser Bilder auch sein mochten, ihre Aussagekraft war gleich null, da sie einander in jedem Detail widersprachen.
Der fotografische Apparat hatte ebenso eindeutig und hartnäckig gelogen wie die Hand des Miniaturmalers. Keine zwei Nasen, keine zwei Stirnen ähnelten einander.
Wir traten in das Zimmer des Generals – ausgenommen General Badeau und Dr. Douglas.
Der General lag ausgestreckt auf einem Lehnstuhl, seine Füße ruhten auf einem gewöhnlichen Stuhl. Er war in Schlafröcke und Wolldecken eingemummelt und trug sein schwarzes wollenes Käppchen auf dem Kopf.
Die Damen nahmen ihm das Käppchen ab und fingen an, seine Nase und seine Stirn zu erörtern, sie brachten ihn dazu, sich hierhin und dorthin zu drehen, damit sie verschiedene Ansichten und Profile seiner Gesichtszüge erhielten. Dies alles ließ er geduldig über sich ergehen, ohne sich zu beklagen. Ohne Murren gestattete er ihnen auf ihre fürsorgliche Art, an ihm herumzuzupfen und -zuzerren. Mrs. Fred Grant, die sehr schön ist und von besonders sanftem, liebevollem Charakter, war ganz rührig, und mit ihren graziösen Händen bewegte sie den Kopf des Generals zur Inspektion geschickt hin und her und lenkte
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