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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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ist besonders gut dafür berechnet, einen reichen Vorrat an Sonnenlicht
     einzulassen, denn es besteht aus zwölf großen Scheiben, wobei jede mehr als einen
     halben Meter im Quadrat misst. Das Schlafzimmer ist zehn Meter lang und sieben Meter
     breit, und es hat eine Zeit gegeben, da beide Räume, das Schlafzimmer und die
     »Bibliothek«, nicht durch eine Wand getrennt waren, sondern hintereinander die ganze
     Breite des Südendes einnahmen. Damals muss es ein Ball- oder Bankettsaal gewesen
     sein. Ich behaupte dies nur, weil vielleicht nicht einmal Cosimo ein so großes
     Schlafzimmer benötigte, wohingegen es sehr wohl als Bankettsaal geeignet wäre –
     wegen seiner Nähe zu den Küchenräumen, die sich nicht mehr als zwei- oder
     dreihundert Meter entfernt im Keller befanden, in alten Zeiten fürwahr eine sehr
     günstige Voraussetzung. Monarchen dürfen den Komfort, in dem zu schwelgen wir
     Plebejer das Privileg haben, nicht genießen – nicht einmal heutzutage. Wäre ich
     eingeladen, eine Woche im Windsor Castle zu verbringen, würde mich dies mit Freude
     und Stolz erfüllen; aber wenn es auch nur einen Hinweis auf permanente Bewohner
     gäbe, würde ich so tun, als hätte ich die Einladung nicht gehört. Als Palast ist das
     Windsor Castle großartig; großartig ob der Geräumigkeit und Pracht, des Prunks und
     Gepränges und so weiter; doch die Schlafzimmer sind klein, wenig verlockend und
     unbequem und die Vorkehrungen, um Speisen von der Küche zum Tisch zu befördern, so
     unbeholfen und zeitraubend, dass dort wahrscheinlich jede Mahlzeit aus dem Kühlhaus
     kommt. Das ist nur eine Mutmaßung; ich habe nie dort gegessen. Im Windsor Castle
     werden die Gänge über einen Speisenaufzug aus der tiefsten Tiefe heraufgeschafft, wo
     sich die riesige Küche befindet, dann mittels einer schmalen kleinen Bahn auf
     Schienen zu dem Territorium befördert, wo das Dinner stattfinden soll. Als ich vor
     vier Jahren dort war, wurde die Bahn noch von Hand betrieben; doch war es zweifellos
     ein großer Fortschritt gegenüberden Beförderungsmitteln, die es
     zu der Zeit vor Queen Victoria im Windsor Castle gegeben hat. Es ist erstaunlich,
     wenn man bedenkt, dass das, was für uns Annehmlichkeiten in einem Wohnhaus sind und
     was wir als Notwendigkeit erachten, erst vor so kurzer Zeit entstanden ist und dass
     in der Welt, in die Queen Victoria hineingeboren wurde, kaum etwas davon existierte.
     Der wertvolle Teil – der
meiner
Meinung nach wertvolle Teil – der von uns
     so genannten Zivilisation bestand noch nicht, als sie den Planeten betrat. Sie saß
     in jener altehrwürdigen Festung auf ihrem Stuhl und sah ihn aus einem Senfkorn zu
     dem gewaltigen Baum heranwachsen, zu dem er geworden war, bevor sie starb. Sie sah
     das Ganze der neuen Schöpfung, sie sah alles, was gemacht war, und ohne ihr Zeugnis
     war nichts gemacht, was gemacht war. In der Tat, alles in allem eine sehr
     anerkennenswerte Schöpfung, da der Mensch sie, ganz ohne Beistand, aus dem eigenen
     Verstand heraus geschaffen hat. Ich ziehe diesen voreiligen Schluss, weil ich
     glaube, dass dies der Vorsehung, wenn sie denn vorgehabt hätte, dem Menschen zu
     helfen, einige hunderttausend Jahrhunderte früher eingefallen wäre. Wir sind es
     gewohnt, in allem die Hand der Vorsehung zu erblicken. Sind es gewohnt, weil wir,
     wenn wir sie übersehen oder glauben sie übersehen zu haben, genügend Diskretion
     besitzen, es uns nicht anmerken zu lassen. Wir sind ein taktvolles Volk. Bedenkenlos
     haben wir das Verdienst an dieser schönen und prächtigen neuen Zivilisation der
     Vorsehung zugeschrieben und sind in unserem Lob für diese große Wohltat ziemlich
     maßlos gewesen; wir haben über die grandiose Beachtung, die sie uns fünf Minuten
     lang geschenkt hat, nicht schweigen können, wir können nur über die Jahrhunderte der
     Vernachlässigung schweigen, die ihr vorausgingen und die sie so bemerkenswert
     machen. Wenn die Vorsehung einen ihrer Erdenwürmer in einem Sturm ins Meer schwemmt,
     ihn vierunddreißig Tage auf einer Planke hungern und frieren lässt und ihn am Ende
     auf einer unbewohnten Insel noch einmal Schiffbruch erleiden lässt, wo er drei
     Monate von Krabben, Grashüpfern und anderen Schalentieren lebt, um schließlich durch
     einen alten whiskeygetränkten, gotteslästerlichen und ungläubigen Vagabunden von
     Kapitän gerettet und ohne Gegenleistung zu seinen Freunden zurückgebracht zu werden,
     dann vergisst der

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