Meine geheime Autobiographie - Textedition
ist besonders gut dafür berechnet, einen reichen Vorrat an Sonnenlicht
einzulassen, denn es besteht aus zwölf großen Scheiben, wobei jede mehr als einen
halben Meter im Quadrat misst. Das Schlafzimmer ist zehn Meter lang und sieben Meter
breit, und es hat eine Zeit gegeben, da beide Räume, das Schlafzimmer und die
»Bibliothek«, nicht durch eine Wand getrennt waren, sondern hintereinander die ganze
Breite des Südendes einnahmen. Damals muss es ein Ball- oder Bankettsaal gewesen
sein. Ich behaupte dies nur, weil vielleicht nicht einmal Cosimo ein so großes
Schlafzimmer benötigte, wohingegen es sehr wohl als Bankettsaal geeignet wäre –
wegen seiner Nähe zu den Küchenräumen, die sich nicht mehr als zwei- oder
dreihundert Meter entfernt im Keller befanden, in alten Zeiten fürwahr eine sehr
günstige Voraussetzung. Monarchen dürfen den Komfort, in dem zu schwelgen wir
Plebejer das Privileg haben, nicht genießen – nicht einmal heutzutage. Wäre ich
eingeladen, eine Woche im Windsor Castle zu verbringen, würde mich dies mit Freude
und Stolz erfüllen; aber wenn es auch nur einen Hinweis auf permanente Bewohner
gäbe, würde ich so tun, als hätte ich die Einladung nicht gehört. Als Palast ist das
Windsor Castle großartig; großartig ob der Geräumigkeit und Pracht, des Prunks und
Gepränges und so weiter; doch die Schlafzimmer sind klein, wenig verlockend und
unbequem und die Vorkehrungen, um Speisen von der Küche zum Tisch zu befördern, so
unbeholfen und zeitraubend, dass dort wahrscheinlich jede Mahlzeit aus dem Kühlhaus
kommt. Das ist nur eine Mutmaßung; ich habe nie dort gegessen. Im Windsor Castle
werden die Gänge über einen Speisenaufzug aus der tiefsten Tiefe heraufgeschafft, wo
sich die riesige Küche befindet, dann mittels einer schmalen kleinen Bahn auf
Schienen zu dem Territorium befördert, wo das Dinner stattfinden soll. Als ich vor
vier Jahren dort war, wurde die Bahn noch von Hand betrieben; doch war es zweifellos
ein großer Fortschritt gegenüberden Beförderungsmitteln, die es
zu der Zeit vor Queen Victoria im Windsor Castle gegeben hat. Es ist erstaunlich,
wenn man bedenkt, dass das, was für uns Annehmlichkeiten in einem Wohnhaus sind und
was wir als Notwendigkeit erachten, erst vor so kurzer Zeit entstanden ist und dass
in der Welt, in die Queen Victoria hineingeboren wurde, kaum etwas davon existierte.
Der wertvolle Teil – der
meiner
Meinung nach wertvolle Teil – der von uns
so genannten Zivilisation bestand noch nicht, als sie den Planeten betrat. Sie saß
in jener altehrwürdigen Festung auf ihrem Stuhl und sah ihn aus einem Senfkorn zu
dem gewaltigen Baum heranwachsen, zu dem er geworden war, bevor sie starb. Sie sah
das Ganze der neuen Schöpfung, sie sah alles, was gemacht war, und ohne ihr Zeugnis
war nichts gemacht, was gemacht war. In der Tat, alles in allem eine sehr
anerkennenswerte Schöpfung, da der Mensch sie, ganz ohne Beistand, aus dem eigenen
Verstand heraus geschaffen hat. Ich ziehe diesen voreiligen Schluss, weil ich
glaube, dass dies der Vorsehung, wenn sie denn vorgehabt hätte, dem Menschen zu
helfen, einige hunderttausend Jahrhunderte früher eingefallen wäre. Wir sind es
gewohnt, in allem die Hand der Vorsehung zu erblicken. Sind es gewohnt, weil wir,
wenn wir sie übersehen oder glauben sie übersehen zu haben, genügend Diskretion
besitzen, es uns nicht anmerken zu lassen. Wir sind ein taktvolles Volk. Bedenkenlos
haben wir das Verdienst an dieser schönen und prächtigen neuen Zivilisation der
Vorsehung zugeschrieben und sind in unserem Lob für diese große Wohltat ziemlich
maßlos gewesen; wir haben über die grandiose Beachtung, die sie uns fünf Minuten
lang geschenkt hat, nicht schweigen können, wir können nur über die Jahrhunderte der
Vernachlässigung schweigen, die ihr vorausgingen und die sie so bemerkenswert
machen. Wenn die Vorsehung einen ihrer Erdenwürmer in einem Sturm ins Meer schwemmt,
ihn vierunddreißig Tage auf einer Planke hungern und frieren lässt und ihn am Ende
auf einer unbewohnten Insel noch einmal Schiffbruch erleiden lässt, wo er drei
Monate von Krabben, Grashüpfern und anderen Schalentieren lebt, um schließlich durch
einen alten whiskeygetränkten, gotteslästerlichen und ungläubigen Vagabunden von
Kapitän gerettet und ohne Gegenleistung zu seinen Freunden zurückgebracht zu werden,
dann vergisst der
Weitere Kostenlose Bücher