Meine geheime Autobiographie - Textedition
angenehm,
gemütlich und in jeder Hinsicht zufriedenstellend.
Ende März
. Nun, da wir schon viereinhalb
Monate hier wohnen, sind meine Vorurteile eins nach dem anderen auf der Strecke
geblieben, und das Haus ist sehr heimelig geworden. Unter gewissen Bedingungen
könnte ich auf unbestimmte Zeit hier wohnen bleiben. Ja, ich könnte diese
Bedingungen auf zwei reduzieren und wäre recht zufrieden. Ich würde den Stall
wollen, über dem die Gräfin wohnt, da es nicht angenehm ist, wenn die Pferde unter
Mrs. Clemens’ Schlafzimmer untergebracht sind. Außerdem würde ich mir wünschen, dass
die Gräfin Italien, Europa, den Planeten verlässt. Ich würde mir wünschen, sie
müsste sich an ihren Ort im Jenseits zurückziehenund mir
mitteilen, welcher von beiden es ist, damit ich alle Vorkehrungen für mein eigenes
Leben danach treffen kann.
Die Freunde, die mir zu diesem Haus verhalfen, als
ich noch in Amerika weilte, waren mit dem pesterfüllten Charakter der Gräfin ebenso
vertraut wie das klatschsüchtige Florenz, ließen sich von ihr aber zu der
Überzeugung verleiten, sie werde nach Paris übersiedeln, sobald ihr das kostspielige
Haus aus der Hand genommen sei. Das war ein Fehler. Sie hatte nie die Absicht
fortzuziehen. Sie konnte das Leben ohne die tägliche und stündliche Gesellschaft
ihres attraktiven Leibdieners nicht ertragen, und sie war nicht reich genug, um ihn
mitzunehmen.
Da im
Mietvertrag nichts stand, was die Gräfin dazu verpflichtete, nach Paris oder in
irgendeinen anderen Himmel überzusiedeln, der ihrem Lebensstil gemäß war, merkte ich
bald, dass es keine Möglichkeit gab, sie loszuwerden; nach zweieinhalb Monaten ihrer
übelriechenden Anwesenheit in nächster Umgebung – ihre Stallwohnung liegt auf dem
Gelände des Anwesens – gab ich auf und bin seitdem auf Haussuche. Eine Haussuche ist
in jedem Land schwierig und bedrückend; in der Gegend um Florenz führt sie zur
Verzweiflung, und wenn man darauf beharrt, endet sie mit Selbstmord. Professor
Willard Fiske, der Gelehrte, der vor vierzehn oder fünfzehn Jahren Walter Savage
Landors Villa gekauft hat, erzählt mir, er habe dreihundert Villen besichtigt, ehe
er eine fand, die ihm zusagte; dabei war er Witwer ohne Kinder oder Angehörige und
benötigte die Villa ausschließlich für sein einsames Selbst. Vor zwölf Jahren war
ich dort zu Gast, und mir schien, dass er keine Villa erworben hatte, sondern einzig
und allein ein Privileg – das Privileg, sie von Grund auf zu erneuern und für
menschliches Wohnen geeignet zu machen. Während der ersten drei Februarwochen
kletterte ich überall herum und durchstreifte im Durchschnitt sechs große Villen in
der Woche, fand jedoch keine, die mir unter den gegebenen Umständen gefiel. Einer
dieser Umstände, und zwar der wichtigste, ist der, dass wir uns auf Geheiß der Ärzte
in Italien aufhalten, in der Hoffnung, dass Mrs. Clemens in diesem milden Klima ihre
Gesundheit wiedererlangt, die sie vor neunzehn Monaten plötzlich eingebüßt hat, als
sie, geschwächt durch ein langjähriges Herzleiden, von einer nervösen Erschöpfung
heimgesucht wurde, und seit diesemZusammenbruch sind die Male,
da sie sich auch nur fünf Minuten ohne Pause auf den Beinen halten kann, äußert
selten. Auch zwei Villen, die in etwa so groß wie diese sind, habe ich besichtigt,
doch ihre Innenarchitektur ist so schlecht entworfen, dass für meine vierköpfige
Familie nicht genügend Platz vorhanden wäre. Im Allgemeinen dienten die Schlafzimmer
als gemeinschaftliche Flure, so dass Krethi und Plethi beiderlei Geschlechts und
aller Altersgruppen jahrhundertelang in einer Prozession durch diese angeblich
privaten Gemächer gezogen sind.
Jede von mir besichtigte Villa wies eine Reihe von
Vorzügen auf, die zu finden man mir aufgetragen hatte, vier davon fast alle. Im Fall
dieser vier stellte die Höhenlage die Ärzte nicht zufrieden; zwei von ihnen waren zu
hoch gelegen, die anderen beiden nicht hoch genug. Alle diese fünfzehn oder zwanzig
Villen waren möbliert. Der Leser dieser Notizen wird das Wort im Wörterbuch finden,
und dort wird es definiert sein; aber diese Definition hat keinen Wert für jemanden,
der wissen möchte, was das Wort hier in Italien bedeutet, wenn es in einem Inserat
auftaucht, in dem ein Wohnhaus zur Miete angeboten wird. Hier bedeutet es eine
klägliche Ansammlung billiger, klappriger Tische,
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