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Meine geheime Autobiographie - Textedition

Meine geheime Autobiographie - Textedition

Titel: Meine geheime Autobiographie - Textedition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Twain
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Sagt Emerson: ›Das Flotteste, was ich je geschrieben habe, war
Barbara
Frietchie.
‹ Sagt Longfellow: ›An meine
Biglow Papers
reicht die nicht heran.‹ Sagt Holmes: ›Mein
Thanatopsis
überbietet alle beide.‹ Um ein Haar wär’s zu ’ner Prügelei gekommen. Dann wünschten sie sich mehr Gesellschaft – und Mr. Emerson zeigt auf mich und sagt:
    Der ärmliche Bauer dort ist alles,
    Was diese stolze Schul’ hervorgebracht?
    Er wetzte sein Jagdmesser an seinem Stiefel – also ließ ich es durchgehen. Nun, Sir, als Nächstes verfielen sie auf die Idee, Musik hören zu wollen; ich musste mich hinstellen und
When Johnny Comes Marching Home
singen, bis ich umfiel – heute Morgen dreizehn Minuten nach vier. Das alles musste
ich
durchmachen, mein Freund. Als ich um sieben aufwachte, waren sie Gott sei Dank im Aufbruch begriffen, und Mr. Longfellow hatte meine einzigen Stiefel an und seine eignen unterm Arm. Sag ich: ›Warten Sie, Evangeline, was wollen Sie denn mit
denen
?‹ Sagt er: ›Spuren hinterlassen, denn –
    Das Leben großer Männer mahnt uns klar,
    Uns ist ein Leben voll Erhabenheit
    Beschieden; scheidend hinterlassen wir
    Die eignen Spuren auf dem Sand der Zeit.‹
    Wie gesagt, Mr. Twain, Sie sind der vierte in vierundzwanzig Stunden – und ich geh weg von hier; ich eigne mich nicht für ’ne literarische Atmosphäre.«
    Ich sagte zu dem Grubenarbeiter: »Nun, mein lieber Sir, das waren nicht die kultivierten Sänger, denen wir und die Welt liebevolle Achtung und Ehrerbietung erweisen; das waren Hochstapler.«
    Der Grubenarbeiter musterte mich eine Weile mit ruhigem Blick; dann sagte er: »Ach, Hochstapler waren das? Und
Sie

    Ich verfolgte das Thema nicht weiter; und seitdem bin ich nicht oft genug unter meinem Decknamen gereist, um jemanden zu kränken. Dies war die Reminiszenz, die ich beisteuern wollte, Herr Vorsitzender. In meiner Begeisterung mag ich dieEinzelheiten ein wenig übertrieben haben, aber Sie werden mir diesen Fehler mühelos nachsehen, da es, glaube ich, das erste Mal ist, dass ich bei einem solchen Anlass von den harten Tatsachen abgewichen bin.«
     
    Was ich Mrs. Hudson schrieb, ist wahr. Ein, zwei Jahre lang litt ich unter der großen Blamage jener Episode. Aber schließlich, 1878, begegneten meine Frau und ich in Venedig Mr. und Mrs. A. P. Chamberlaine aus Concord, Massachusetts, und es begann eine Freundschaft von der Art, die nur mit dem Tod endet. Die Chamberlaines waren sehr aufgeweckte Leute und in jeder Hinsicht reizend und gesellig. Gemeinsam verbrachten wir ein oder zwei Monate in Venedig und danach mehrere Monate in Rom, und eines Tages kam mein bedauerlicher Fauxpas zur Sprache. Ich wollte den Leuten schon den Kopf waschen, weil sie mich an den Vorfall erinnert hatten, wo es mir doch beinahe gelungen war, ihn aus meinem Gedächtnis zu löschen, da stellte ich zu meiner Freude fest, dass die Chamberlaines sich über die Art empörten, wie mein Auftritt in Boston aufgenommen worden war. Freien Lauf ließen sie ihrer Meinung über die frostige Haltung der Leute, die bei dem Auftritt zugegen waren, und über die Position der Bostoner Zeitungen in dieser Angelegenheit. Diese Position lautete, ich sei unglaublich, unvorstellbar respektlos gewesen. Nun gut, das hatte ich ein, zwei Jahre lang als Tatsache akzeptiert und mich überaus elend gefühlt, wann immer ich daran dachte – was, wenn ich es verhindern konnte, nicht häufig geschah. Wann immer ich daran dachte, fragte ich mich, wie ich mich hatte dazu hinreißen lassen können, etwas so Ruchloses zu tun. Nun, die Chamberlaines trösteten mich, konnten mich jedoch nicht dazu bringen, weiter über diese unglückliche Episode nachzudenken. Es widerstrebte mir. Ich versuchte, sie zu vergessen, sie zu tilgen, und das gelang mir auch. Bis neulich Mrs. Hudsons Brief eintraf, waren gute fünfundzwanzig Jahre vergangen, seit ich zuletzt an die Angelegenheit gedacht hatte; und als sie sagte, der Vortrag sei komisch gewesen, überlegte ich, ob sie vielleicht recht haben könnte. Jedenfalls war meine Neugier geweckt, und wie oben dargelegt, wandte ich mich nach Boston und ließ den ganzen Artikel abschreiben.
    Ich erinnere mich vage an ein paar Einzelheiten jener Zusammenkunft –undeutlich sehe ich hundert, nein, vielleicht fünfzig Leute vor mir, schemenhafte Gestalten, die an Tischen sitzen und speisen, inzwischen Gespenster für mich und auf immer namenlos. Ich weiß nicht mehr, wer sie waren, doch am Ehrentisch, uns

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