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Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde

Titel: Meine geordnete Welt oder Der Tag an dem alles auf den Kopf gestellt wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Crowley Knut Krueger
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mein Fahrrad auf seinen Ständer und blickte mich um. Onkel Dals Pick-up stand nicht neben der Scheune, was ungewöhnlich war. Er weiß sehr genau, wie wichtig mein Zeitplan für mich ist und dass ich nur zwei Stunden - jetzt bloß noch anderthalb - für ihn erübrigen kann, bevor ich in Mamas Buchladen fahre, um ihr beim Sortieren der Bücher zu helfen.

    Mir war immer noch ein bisschen schwindelig. Außerdem war ich verärgert. Und hungrig. Ich legte mich auf die staubige, heiße Erde und ließ meinen Rücken braten, bis er ganz rot sein würde. Ich machte tiefe Atemzüge, so wie ich es von Fiona Friday gelernt hatte, einer Frau mit Turban, die jeden Samstag um sechs Uhr morgens mit ihren Meditationsübungen im Fernsehen zu sehen ist. »Einatmen - ausatmen! Weiten Sie Ihre Brust. Spüren Sie, wie Ruhe und Entspannung durch Ihren Körper strömen.« Manchmal klappt es tatsächlich. Zu Ehren von Fiona Friday nenne ich sie FF-Atemzüge. Nach ihrer Sendung schalte ich um auf Kanal 39, um mir den »Filmklassiker am Morgen« anzusehen. Das ist alles, was ich mir im Fernsehen angucke.
    Dort lag ich also, alle viere von mir gestreckt, und blickte in den weiten blauen Himmel von Jumbo. Ich betrachtete die Wolken und fragte mich, ob ich wohl einen Drachen erkennen könnte. Die Wolken waren zu einem langen unförmigen Streifen auseinandergezogen, als würde sich ein Band aus Elfenbein von den Bergen bis zum Highway erstrecken.
    Ich hörte den einsamen Ruf eines Vogels und blinzelte. Ich holte mein Fernglas aus dem Fahrradkorb, legte mich wieder hin und hielt es mir vor die Augen. Ich hielt Ausschau nach Weißfeder. Ungefähr vor einem Jahr, als ich mit meinem Müllspieß die Bahngleise entlangging, erblickte ich den größten Falken mit rotem Schwanz, den ich je gesehen habe. Als er ganz in meiner Nähe herabstieß, erkannte ich, dass sich inmitten seines leuchtend roten Schwanzgefieders eine einzige schneeweiße Feder befand. Näher, dachte ich, kann ich einem fliegenden Drachen in dieser Welt nicht kommen. Seit jenem Tag habe ich Weißfeder nie wiedergesehen. Doch halte ich stets nach ihm Ausschau.
    Das gemächliche Rumpeln von Onkel Dals Pick-up schreckte mich auf. Ich drehte den Kopf in dem Moment, als die Räder
seines hellblauen Lieferwagens, Baujahr’56, zum Stehen kamen.
    Mir war warm und träge zumute, während ich beobachtete, wie seine dreckverkrusteten Stiefel aus dem Wagen sprangen und zu mir herüberschlenderten. Flynns Pfoten näherten sich. Ich lächelte ein wenig zur Seite, ohne den Kopf zu heben. Ich bin sehr sparsam mit meinem Lächeln, genauso sparsam wie mit meinen Worten. Flynn schleckte hingebungsvoll mein Gesicht ab, als wäre ich in der Wüste verschollen gewesen. Als er damit aufhörte, erkannte ich blinzelnd, dass sich neben Onkel Dal noch ein weiteres Paar Beine befand.
    Kurze Beine.
    »Was liegst du hier rum bei der Hitze, Hug?«, fragte Onkel Dal.
    »Sie heißt Hug?«, hörte ich eine erstaunte Stimme, gefolgt von einem prustenden Lachen. Er lutschte jetzt ausgiebig und fröhlich an dem Tootsie Pop, den ich ihm vorhin gegeben hatte.
    Ich rappelte mich mühselig auf und wischte mir den Staub vom Hintern. Ich ließ meinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
    »Du bist zu spät«, sagte ich zu Onkel Dal, den Blick starr auf ihn geheftet.
    »Schau mal, was ich gefunden habe?«, sagte Onkel Dal mit breitem Grinsen.
    Es klang so, als hätte er den Nordpol oder so was entdeckt. Auch Onkel Dal lächelt nur selten. Wenn er es also tut, neige ich dazu, es zu bemerken. Als ich noch klein war, habe ich Grandma einmal gefragt, warum er so sei. »Aus ihm hätte was werden können …«, antwortete sie in ihrem typischen geringschätzigen Ist-sowieso-nicht-mehr-zu-ändern-Tonfall.
    Onkel Dal war früher mal ein guter Baseballspieler. Jeder dachte, er würde eine große Karriere machen, doch am Ende
seines letzten Jahres auf der Highschool stürzte er von der Ladefläche eines Pick-ups und brach sich den Wurfarm. Daddy und er hatten eine Spritztour durchs Gelände gemacht, als es passierte. Grandma hat ihnen das nie verziehen, aber sie verzeiht aus Prinzip nichts. Im Sweet Home Diner hängt immer noch ein Foto von Onkel Dal in seinem Baseballtrikot, gleich neben einem Bild aus dem Jahr 1952, das die legendäre Meistermannschaft von Jumbo im American Football zeigt.
    »Arbeit«, sagte ich, indem ich beharrlich versuchte, den Jungen zu ignorieren.
    »Dieser kleine Junge hat dich gesucht, also habe ich

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