Meine Kriegsfahrten mit U-35
führte ich den Angriff durch; die endgültige Entscheidung, ob schießen oder nicht, wollte ich von meinem letzten Eindruck abhängig machen. Schon glaubte ich, es würde nichts werden mit dem Schuß, da ich bei seinen Zickzackkursen nicht in Schußstellung kam. Da plötzlich drehte er in unsere Nähe. Allerdings auf normalem Wege war der Torpedo nicht anzubringen, nur noch als Winkelschuß, d. h. er mußte nach dem Ausstoßen entsprechend dem vorher eingestellten Winkel drehen und seinem Ziel zujagen.
Alles ging nun sehr schnell. Letzter Eindruck war: doch Truppentransporter, obwohl keine Truppen an Deck zu sehen waren. Es war wieder Instinkt. Auf 900 Meter Abstand kam er vorbei Zielen war schwierig. „Torpedo los!" Das Boot vibriert beim Ausstoß. Ich beobachte. Der Torpedo macht vorschriftsmäßig seine Drehung und läuft in Richtung auf den Dampfer. Unten zählt einer die Sekunden mit. Im Boot kann man eine Stecknadel fallen hören. Es ist enttäuschend, wenn der Mann da immer weiterzählt und nichts erfolgt. Hier aber nach 40 Sekunden ein scharfer metallischer Schlag — die Gefechtspistole — dann das Krachen der Detonation. Ein schallendes „Hurra!" tönt von unten herauf. Durch das Sehrohr sehe ich eine hohe Sprengwolke stehen, erst 10 dann 50 Meter hinter dem Heck, so daß ich einen Augenblick glaube, der Feind habe eine Wasserbombe geworfen. So schnell fuhr das Schiff. Erst allmählich verliert es seine Geschwindigkeit und fängt ganz langsam an, achtern tiefer zu tauchen. Ich kann noch immer nicht glauben, daß dieses Riesenschiff mit einem Torpedo genug haben sollte.
Nun entsteht an Deck des Schiffes ein furchtbares Durcheinander. Massen von Menschen quellen an Oberdeck, ein Teil versucht noch in letzter Pflichterfüllung Geschütze klarzumachen, viele stürzen in die zahlreichen Boote. Diese werden so überhastet heruntergeworfen, daß sie falsch ins Wasser kommen und vollschlagen. An den Bootstaljen hängen die Menschen. Jeder will zuerst ins Boot. Es war grausig anzusehen. Ich hatte genug, ließ einzeln meine Leute in den Turm kommen und einen Blick durchs Sehrohr werfen. Einige starren unbeweglich, auf anderen Gesichtern malt sich Entsetzen. Neugierig und hastig kamen sie nach oben, nachdenklich und ernst nahm jeder wieder seinen Platz ein.
Immer tiefer sank hinten das mächtige Schiff, bis es, sich gegen den glutroten Abendhimmel abhebend, senkrecht den glänzenden Bug gegen den Himmel aufrichtete, vielleicht 1 - 2 Minuten so stand, um dann kerzengerade in die Tiefe zu schießen. Ein großartiges und grausiges Bild, das ich lange nicht loswerden konnte. 20 Minuten nach dem Torpedoschuß war nichts mehr übrig als ein Trümmerfeld mit einer Anzahl überfüllter Rettungsboote, zu deren Bergung ich nichts tun konnte. Wir fuhren auf 30 Meter Wassertiefe davon, jeder seinen Gedanken nachhängend.
Als wir in den nächsten Tagen einliefen, hörten wir Näheres. Es war die „Gallia", der größte französische Truppentransporter, mit höheren Stäben und Truppen für die Saloniki-Front unterwegs. 1852 Mann gingen mit ihm unter. „Frankreichs größte Schiffskatastrophe seit Kriegsbeginn," schrieben die französischen Zeitungen. Frankreich hatte eine Schlacht verloren. Erst jetzt gewann die Freude über unseren Erfolg die Oberhand. — Besonders stolz war der Obersteuermann Neumann mit seiner Wache, welche das Schiff zuerst gesehen hatte und daher den Erfolg für sich buchen konnte. Denn es herrschte ein reger Wettbewerb Zwischen den drei Wachen, die eifrig Buch über die Schiffe führten, deren Sichtung zur Versenkung führte. —
Eines Tages wurde ich, während mein Boot noch in Reparatur lag, nach Berlin berufen und erhielt einen außergewöhnlichen Auftrag: U 35 sollte ins westliche Mittelmeer gehen und in Cartagena einlaufen mit einem kaiserlichen Handschreiben an den König von Spanien als Dank für die gute Behandlung der in Fernando Po internierten Kamerun-kämpfer und mit 35 Kisten Chinin und anderen hochwertigen Medikamenten für diese. Auf anderem Wege war es nicht möglich, den Kamerunkämpfern Hilfe zukommen zu lassen. Auch sollte erprobt werden, wie sich die Alliierten einem neutralen Land gegenüber verhalten würden, wenn dieses einem der damaligen Weltmeinung nach außerhalb jeden Völkerrechtes stehenden U-Boot den normalen völkerrechtlichen Schutz gewähren würde. Selbstverständlich sollte ich keinesfalls die international vorgeschriebene Aufenthaltsdauer von 24 Stunden
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