Meine Kriegsfahrten mit U-35
verlassen. Die beiden österreichisch-ungarischen Torpedoboote, die uns durch die Sperren heraus-geleitet hatten, waren, nachdem sie uns noch eine „Glückliche Fahrt und viel Erfolg" signalisiert hatten, in der Dunkelheit verschwunden. Wir fuhren nach Süden, die Maschinen gingen „Alle Fahrt". Auf dem Turm die Wache Oberleutnant z. S. Obermüller mit seinen zwei Männern und ich. Die Freiwache lag schon in den Kojen und schlief. Das Wetter war gut, alles friedlich. Überraschungen waren kaum zu erwarten, in dieser Gegend jedenfalls noch nicht.
Plötzlich schreit Obermüller: „Hart Backbord! Beide Maschinen äußerste Kraft voraus! Voraus ein U-Boot!"
Glas ans Auge. Verdammt noch eins! Ganz nahe vor unserem Bug in Rammposition zieht langsam ein grauer Schatten vorüber. Ein feindliches U-Boot, von dem wir gerade klarkommen und das hier mit geringer Fahrt herum-dammelte. Waffengebrauch war nicht möglich, denn so schnell wie der Bruder in Sicht gekommen, war er auch schon wieder verschwunden. Bei weniger Aufmerksamkeit wären wir auf ihn geprallt; und da wir vorn unsere Torpedorohre mit scharfen Torpedos geladen hatten, wären diese detoniert und beide Boote mit ziemlicher Sicherheit in die Luft geflogen. –
Einen Monat später waren wir bei Tage ausgelaufen und gerade frei von den Sperren. Dieses Mal hatte der Obersteuermann Neumann Wache. Die Leute saßen beim Essen. Wir fuhren aufgetaucht mit hoher Fahrt, weil wir in derselben Nacht noch durch die Otranto-Straße wollten. Wir paßten mächtig auf. Denn Aufmerksamkeit war alles. Plötzlich kommandiert Neumann:
„Torpedolaufbahn an Backbord! Hart Steuerbord!"
Richtig, da war der Ausstoßstrudel und da kam ein heller Wasserstreifen, die Torpedolaufbahn, auf uns zu. Gottlob, etwas weit, etwa 1500 Meter. Aber guter Schneidungswinkel, 90 Grad. Ein feiner Schuß immerhin. Das muß man ihm lassen. Wie gebannt hingen unsere Augen an diesen Blasen, die über unser Schicksal entscheiden sollten. Trifft er, oder trifft er nicht? Ein eigentümliches Gefühl hat man in solchen Augenblicken, in denen man völlig machtlos dem Schicksal ausgeliefert ist. Aber unser Boot hatte seine Drehung gut aufgenommen. Es ist noch mal klargegangen. 100 Meter hinter unserem Heck ging der Torpedo durch. Wir schossen zwar sofort noch mit unserer Kanone in Richtung auf den Ausstoßstrudel, waren uns aber darüber klar, daß dies keinen Sinn mehr hatte, unser Kollege vielmehr über diese zwecklose Kraftäußerung nur lächeln würde. Für alle Fälle winkten wir ihm noch Abschiedsgrüße zu. Dies war, wie wir heute wissen, der französische Kapitänleutnant de Cambourg, Kommandant des U-Boots „Circe".
Mit einer Torpedosalve hätte er uns vielleicht erwischt, und das hätte sich für ihn gelohnt. Denn diese Unternehmung kostete die Alliierten immerhin 24 Schiffe mit rund 80000 Tonnen.
Ein anderes Mal kamen wir von einer Unternehmung zurück, die fünf Wochen gedauert hatte. Das westliche Mittelmeer hatten wir unsicher gemacht, waren durch die Gibraltar-straße in den Atlantischen Ozean bis nach Madeira vorgestoßen und hatten sämtliche Torpedos verschossen. Der Feind hatte uns auf dem Rückweg durch die Funkmeldungen seiner Abwehrorganisation genau verfolgen können, und so mußten wir uns in der Otranto-Straße auf einen warmen Empfang gefaßt machen. Schon bei deren Ansteuerung stießen wir auf Zerstörer, denen wir aber verborgen blieben.
Gegen Mitternacht vom 5. zum 6. November 1917 befanden wir uns in der Enge, über Wasser natürlich. Die Maschinen gingen große Fahrt. Die Besatzung auf Tauchstationen. Oben auf dem Turm die Wache mit Doppelgläsern bewaffnet. Das Wetter war gut, schlechteres wäre uns jetzt lieber gewesen. Und schon waren die Bewachungsfahrzeuge da mit ihren Netzen. Zuerst eines, dann zwei und immer mehr, quer über die Straße. Das konnte ja heiter werden. Durchzustoßen schien mir nicht ratsam, tauchen erst recht nicht. Ich wollte sie umgehen. Wir liefen nach Osten hinüber. Dort hörten sie gar nicht auf. Wir zählten 15 Stück. Also Kehrt nach Westen auf die italienische Küste zu. Gott sei Dank! Da war offenbar eine Lücke in der Kette. Also durch! — Und es gelang. — Jetzt gingen einige Sternsignale auf den Bewachern hoch. Wahrscheinlich hatte man uns doch gesehen. Nur jetzt durchhalten, bloß nicht tauchen! Und nachdem wir noch einigen abgeblendeten Fahrzeugen ausgewichen waren, wurde es langsam hell. Nichts war mehr in Sicht. Weit ab an
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