Meine kurze Geschichte (German Edition)
Bastler war und dessen Vater sich im Haus eine Werkstatt eingerichtet hatte. Mein Ziel war es immer, Modelle zu bauen, die ich steuern konnte. Mir war es egal, wie sie aussahen. Ich glaube, der gleiche Wunsch trieb mich, eine Reihe sehr komplizierter Spiele mit einem anderen Schulkameraden, Roger Ferneyhough, zu erfinden. Da gab es ein Produktionsspiel mit Fabriken, die verschiedenfarbige Produkte herstellten, Straßen und Schienenstränge, auf denen sie befördert wurden, und einen Aktienmarkt. Es gab ein Kriegsspiel, das auf einem Brett mit viertausend Quadraten gespielt wurde, und sogar ein Ritterspiel, bei dem jeder Spieler eine ganze Dynastie mit eigenem Stammbaum repräsentierte. Ich glaube, diese Spiele entsprangen, genau wie die Eisenbahnen, Schiffe und Flugzeuge, dem Drang herauszufinden, wie die Dinge funktionieren, und sie zu beherrschen. Seit ich mit meiner Promotion begann, konnte ich dieses Bedürfnis in der kosmologischen Forschung stillen. Wenn man weiß, wie das Universum funktioniert, beherrscht man es in gewisser Weise.
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ST. ALBANS
1950 wurde der Arbeitsplatz meines Vaters von Hampstead in der Nähe von Highgate in das neuerbaute National Institute for Medical Research in Mill Hill am Nordrand Londons verlegt. Statt von Highgate dorthin zu fahren, erschien es vernünftiger, aus London hinauszuziehen und in die Stadt zu pendeln. Deshalb kauften meine Eltern ein Haus in St. Albans, einem Bischofssitz mit alter Kathedrale, ungefähr fünfzehn Kilometer nördlich von Mill Hill und dreißig Kilometer vom Londoner Zentrum entfernt. Es war ein großes viktorianisches Haus mit einer gewissen Eleganz und ganz eigenem Charakter. Meine Eltern waren nicht sehr wohlhabend, als sie es kauften, und es musste viel renoviert werden, bevor wir einziehen konnten. Danach weigerte sich mein Vater, ein sparsamer Yorkshireman, Geld für weitere Reparaturarbeiten am Haus auszugeben. Er tat sein Bestes, um es instand zu halten und zu streichen, aber es war groß und er nicht sehr geschickt in solchen Dingen. Doch das Haus war so solide gebaut, dass ihm die Vernachlässigung kaum schadete. 1985, als mein Vater schwer erkrankte (er starb 1986), verkauften es meine Eltern. Vor kurzem habe ich es wiedergesehen. Es sah nicht so aus, als sei in der Zwischenzeit viel daran gemacht worden.
Unser Haus in St. Albans
Das Gebäude war ursprünglich für einen Haushalt mit Dienstboten bestimmt; deshalb gab es in der Anrichte eine Tafel, die anzeigte, in welchem Zimmer geläutet worden war. Natürlich hatten wir keine Dienstboten, aber mein erstes Zimmer war ein kleiner L-förmiger Raum, der einmal ein Dienstmädchenzimmer gewesen sein muss. Ich hatte ihn mir auf Vorschlag meiner Cousine Sarah reserviert, die etwas älter war als ich und die ich sehr bewunderte. Sie meinte, dort könnten wir viel Spaß haben. Ein besonderer Vorzug des Zimmers war, dass man aus dem Fenster aufs Dach des Fahrradschuppens und von dort auf den Erdboden klettern konnte.
Sarah war die Tochter von Janet, der älteren Schwester meiner Mutter, einer Ärztin, die einen Psychoanalytiker geheiratet hatte. Sie lebten in einem ziemlich ähnlichen Haus in Harpenden, einem acht Kilometer nördlich von St. Albans gelegenen Dorf. Dass sie dort wohnten, war einer der Gründe, die uns bewogen hatten, nach St. Albans zu ziehen. Ich freute mich sehr, nun in der Nähe von Sarah zu sein, und bin häufig mit dem Bus nach Harpenden gefahren.
In der Nähe von St. Albans befinden sich die Überreste der altrömischen Stadt Verulamium, der nach London wichtigsten römischen Siedlung in England. Im Mittelalter hatte St. Albans das reichste Kloster Englands. Es wurde um den Schrein des heiligen Alban erbaut, eines römischen Zenturios, der als erster Mensch in England wegen seines christlichen Glaubens hingerichtet worden sein soll.
Von dem Kloster sind nur die große, ziemlich hässliche Klosterkirche und das alte Klostertorgebäude erhalten. Dieses gehört heute zur St. Albans School, die ich später besuchte. Im Vergleich zu Highgate oder Harpenden war St. Albans ein langweiliger, konservativer Ort. Freunde fanden meine Eltern dort kaum. Zum Teil war das ihre eigene Schuld, denn sie waren von Natur aus Eigenbrötler, vor allem mein Vater, aber es lag auch daran, dass wir von Leuten ganz anderer Art umgeben waren. Von den Eltern meiner Schulkameraden in St. Albans war wohl schwerlich jemand als Intellektueller zu bezeichnen.
Während
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