Meine Philosophie lebendiger Gaerten
Ganze mitten in London, in der schicksten und teuersten Gegend, mit Verkehrschaos und der Aussichtslosigkeit, per Auto durch die King’s Road zu kommen. Keine Chance.
Dort passiert genau dieses: Gärten sind zu sehen, von denen man nur träumen kann, die weit ab von der Vorstellung eines jeden Gartenliebhabers liegen, weit entfernt von dem, was er jemals im eigenen Garten realisieren wird. Träume und Unerreichbares, auch Abstruses bis hin zu Albträumen. Nicht jeder Garten ist so gestaltet, dass der Betrachter sich danach sehnt, darin zu sitzen. Aber gesehen haben will man so etwas schon, zumindest um darüber reden zu können.
Für einen Gartendesigner ist es ein Ritterschlag, daran teilnehmen zu dürfen. Eigentlich hatte ich Chelsea längst abgehakt und den Glauben daran aufgegeben, dass ich es, zumal als deutsche Gestalterin, schaffe, dort jemals mit einem Garten aufzutreten. Voraussetzung dazu ist immerhin ein zahlungskräftiger Sponsor - das ist durchaus vergleichbar mit einer Teilnahme an der Tour de France oder der Formel
1: Wer in Chelsea ins Rennen geht, tut dies im Namen eines Sponsors, das sind oft große Zeitungen oder Fernsehsender, auch mal eine Bank wie Merrill Lynch oder ein Modehaus wie Chanel, die Champagnerfirma Laurent-Perrier, Länder des Commonwealth oder arabische Scheichs. Als eine Deutsche in England, wenn auch anerkannt auf der Insel, konnte ich nicht erwarten, dass ein britischer oder gar auswärtiger Sponsor auf mich zustürmen und mich auffordern würde, einmal einen Garten für Chelsea zu kreieren. Außerdem loderte bereits die Flamme in mir, das Land zu verlassen und nach Berlin zu gehen, um in Deutschland die Gartenkultur wachzuküssen und zu erneuern.
Doch plötzlich hatte ich es geträumt: Ich mache einen Chelsea-Garten. Ich sah, im Traum wohlgemerkt: Ein deutscher Garten soll es sein. Es war fünf Uhr in der Früh, da griff ich zum Stift, entwarf ein Scribble meiner im Traum gesehenen Bilder. Die Maße eines großen Chelsea-Showgartens sind ja bekannt, zehn mal fünfundzwanzig Meter, das weiß jeder Gartendesigner, der davon träumt, einmal ein solches Ding an dieser Stelle zu gestalten. Nach kaum einer halben Stunde lag der Plan auf dem Tisch. Und da ich von Walt Disney gelernt habe: »If you can dream it, you can do it« (Wenn man es träumen kann, kann man es auch schaffen), habe ich einfach meinen Entwurf eingereicht - auch ohne einen Sponsor oder einen Auftraggeber an der Hand zu haben.
Im Traum hatte ich wirklich alle Details gesehen: Vor meinem inneren Auge war Karl Foersters Senkgarten in Bornim bei
Potsdam aufgetaucht. Eine Hommage an jenen Mann, der mir in all den Jahren seit meiner Ausbildung und während meiner Arbeit als Gartendesignerin ein Vorbild war, sollte es werden. Ein Garten, der für mich einen deutschen Charakter ausdrückt, was immer dies heißen mag. Alles war da, bis hin zu den Trittplatten und Stufen - und auch wenn wir später noch sechs Wochen benötigten, um über der Umsetzung zu knobeln, so war doch die Basis vorhanden. Meine Pflanzenchoreografin Isabelle meinte fast nüchtern: »Na ja, so etwas wollten wir doch immer schon machen.« Und: »Kann das nicht zugleich eine Grundlage für unser Vorhaben in Deutschland werden?« Ganz offensichtlich hatte das Unterbewusstsein, das es ja angeblich gar nicht gibt, schon viel weiter gedacht: an die Möglichkeit, mit einem solchen Garten etwas in die Zukunft zu transportieren. In England zeigen, was man in Deutschland schon lange kann - um es dann mit einer Medaille um den Hals wieder in sein Heimatland zurückzutragen.
Eingereicht war nun also unsere Idee beim zuständigen Veranstalter, der Royal Horticultural Society - vor über zweihundert Jahren gegründet, mit heute fast vierhunderttausend Mitgliedern. Die Zeit war knapp. Ein Jahr vor der Show muss die Anmeldung erfolgen, es waren noch drei Wochen bis zur Entscheidung, zur Nominierung für die großen Schaugärten - denn nur acht bis zehn Aussteller werden derzeit in dieser Kategorie zugelassen. Früher, zu wirtschaftlich florierenden Zeiten, da waren es noch ein paar mehr. Bei der Society, wo wir seit dem Gewinn des »Best in Show«-Preises
auf der Hampton Court Flower Show einige Jahre zuvor einen guten Ruf hatten, war man durchaus erfreut über unseren Plan und gespannt - auch auf unseren Sponsor. Ich musste schummeln: Wir seien dran, an einer deutschen Zeitung. Ein Witz: Welche deutsche Zeitung würde schon einen Garten für eine Show in England
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