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Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Meine Philosophie lebendiger Gaerten

Titel: Meine Philosophie lebendiger Gaerten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriella Pape
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mit rund vierhunderttausend Euro (oder tausend Pfund pro Quadratmeter) sponsern? Das war unsere nüchterne Kostenschätzung, und das war keineswegs die höchste Kalkulation unter den Konkurrenten, dort reichten sie bis zum Doppelten.
    Zwei Wochen später, also eine Woche vor der Entscheidung, klingelte das Telefon. Eine Dame vom Daily Telegraph : Sie wisse, dass es jetzt zu spät sei, aber ihre Zeitung habe ja einen guten Ruf und könnte die Society auch überreden, dass da noch etwas gehen würde. Also: Ob wir für den Daily Telegraph einen Garten gestalten könnten. Verschiedene Leute hätten uns empfohlen, damit einmal etwas Neues, etwas anderes zu sehen sei, und sie probierten immer gern neue Designer aus … Mich traf fast der Schlag. Als ich meine Sprache wiederfand und erklärte: »Wir haben bereits einen Entwurf eingereicht …«, unterbrach sie ganz enttäuscht und jammerte fast: »Ach, das ist aber schade, und wir hatten gedacht, Sie würden sich vielleicht von uns … und hätten … und könnten …«, sodass ich nur mit Mühe meinen Satz beenden konnte: »… haben aber noch keinen Sponsor.«
    »Oh, können wir den Entwurf dann mal sehen?«
    »Na ja, das ist aber ein deutscher Garten …«

    Und dann kam, weltoffen wie die Engländer eben sind, und wie ich sie in all den Jahren immer wieder kennengelernt habe, eine Haltung an den Tag, von der wir hierzulande nur träumen können: » German garden , das wäre doch mal etwas ganz Neues! Für unsere Zeitung und für die Chelsea Flower Show sowieso. Den Plan wollen wir sofort sehen.«
    Als ich den Hörer aufgelegt hatte, glaubte ich, in meinen Traum zurückgefallen zu sein. Das war einfach nicht zu fassen! Warum gerade in diesem Jahr, wo ich mir ein großes Projekt in Deutschland vorgenommen hatte, wo ich zuvor überzeugt war, dass an Chelsea nicht heranzukommen sei, wo es Hunderte von Designern gab, aber kaum zehn Gärten? Ich begriff, wir hielten das Glück in unseren Händen, mussten es nur aus dem Kosmos holen.
    Kurz darauf haben wir uns mit leicht klopfenden Herzen beim urbritischen, konservativen Daily Telegraph , wo man alles andere als »pro German« eingestellt ist, empfangen lassen, haben unser Konzept vorgelegt, beschrieben, veranschaulicht, erklärt - und achtundvierzig Stunden später hatten wir den Vertrag in der Tasche. Die nötigen Sponsorengelder fand man dort ganz normal, noch ohne Honorare übrigens berechnet, da kamen nochmals dreißig- oder vierzigtausend Pfund hinzu. Immerhin ist ein ganzes Jahr an Arbeitszeit zu investieren. Entsprechend war unsere Firma für Monate fast lahmgelegt.
    Ein Garten in Chelsea wird für genau fünf Tage geplant, gestaltet und aufgebaut, um hinterher innerhalb von drei Tagen wieder abgebaut zu werden. In diesen fünf Tagen
hat alles topp zu sein, kein welkes Blatt, jede Pflanze auf ihrem Höhepunkt, jede Blüte in ihrer schönsten Pracht, alles hat so frisch und optimal auszusehen und zu wirken, wie es die Natur selbst auf einen Schlag, auf einen Moment hin nicht schafft. Wenn am sechsten Tag schließlich alles zusammenfällt, ist das kein Problem. Aber am ersten Tag, mit der Minute der Eröffnung, präsentieren sich die Gärten wie von Zauberhand oder Gotteshand in Szene gesetzt, die perfekte Natur, wie wir sie sonst nicht zu sehen bekommen. Es gleicht einer Bühnenshow, wenn die Scheinwerfer erstrahlen, das Orchester zu spielen anhebt, der Vorhang sich öffnet, die Funken sprühen und die Artisten wie ein Feuerwerk durch die Luft wirbeln. Die Besucher und auch diejenigen, die lediglich in den Zeitungen oder im Fernsehen die Show verfolgen, werden in den Bann eines nie zuvor erlebten Spektakels gezogen - Gärten, makelloser als an einem traumhaften Sommertag, perfekter als am schönsten Tag des Jahres. Idealtypische Inszenierungen.
    Chelsea ist Gartenshow, wie die Engländer sie lieben. Sie beherrschen es, knapp eine Woche lang eine Show abzuziehen, die Unterhaltung auf höchstem Niveau bietet, auch mal etwas Verrücktes, mal etwas Schräges, in jedem Fall etwas Überraschendes, Ungewöhnliches, nicht Alltägliches. Die Kritik aus dem Ausland beklagt, dass das alles gar nicht realistisch sei. Das ist es tatsächlich nicht, und das will es auch gar nicht sein! So wie die Menschen ins Kino gehen oder ins Theater, wie sie sich eine Show ansehen wollen, um anhand unrealistischer Geschichten, fiktiver Gedankenspielereien,
atemberaubender Attraktionen unterhalten zu werden und dem Alltag zu entfliehen, so

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