Meine Philosophie lebendiger Gaerten
die zierlicheren Blüten, sind aber die eigentlich Tougheren, die Beständigen, weil ihre Herkunft noch näher mit der Wildnis verbunden ist. Sonst aber gilt: Wer im Herbst vergisst, die Zwiebeln in den Boden zu bringen, hat im Frühjahr ein leeres Beet. Aber das hatten wir ja bereits …
Der Winter
Gibt es einen Garten im Winter? Bei Eis und Schnee und Väterchen Frost? Und ob! Wir können uns, wenn wir wollen
und entsprechende Vorbereitungen treffen, auf ein regelrechtes Wintertheater einstellen.
Die erste Regel dazu lautet: So viel wie möglich stehen lassen. Nur das Zusammengebrochene wegschneiden, und das aus dem Beet räumen, was die matschige Spätherbstzeit nicht überstanden hat. Dann kann man als stiller Beobachter dem Wintertheater zuschauen. Zu tun gibt es kaum etwas, außer staunen. Denn der heraneilende Winter hüllt den Garten in einen ganz besonderen, neuen Zauber, den der bizarren Staudenwelt. So sind es vor allem die Pflanzenskelette vieler, wertvoller Stauden, die dieses Spektakel entfachen. Da ist zum Beispiel die Fette Henne, die sich ihrer Blätter entledigt hat, oder Fenchel, dessen großflächige Dolden mit Schneehütchen aussehen, als seien sie der Märchenwelt entstiegen. Oder es kommen die Vögel und picken sich die Saat aus den Dolden. Auch die kleinen watteballartigen, verblühten Samenstände der Astern bekommen an frostigen Tagen ein ganz eigenes, neues Leben.
Sehr viele Blumen können den ganzen Winter über stehen bleiben, es sei denn, es kommt viel und ganz schwerer Schnee. Wenn der Frost, starker Frost vor allem, erst einmal Einzug gehalten hat und ins Beet hineingegangen ist, wenn er es fest im Griff hat und somit die Herrschaft über die dunkelbraunen, gehölzigen Pflanzen übernommen hat, dann zeigt sich ein Bild, das kaum ein Maler schöner auf die Leinwand bannen könnte.
Und man denke an die Bäume, vor allem an Nadelbäume oder stark verzweigte kahle Gehölze, die von Schnee umhüllt
einen besonderen Zauber, eine Zartheit, eine Ruhe ausstrahlen. Alles wird leicht und - wenn die Sonne herauskommt - glitzernd und fröhlich. Wenn der Mond in einer wolkenlosen, kalten Nacht auf die Schneeskulpturen scheint, dann ist es, als habe sich unser Garten in einen Zauberwald verwandelt. Es ist eine Belohnung des Gärtners, dass die Natur dem Garten diese weitere Saison schenkt. In dieser dunklen Zeit nisten zahlreiche Nutzinsekten in den kleinen Stämmen, Stängeln und Saatköpfchen und bereiten sich fürs nächste Jahr vor, um dann gleich die Insekten, die wir nicht mögen, und die Schädlinge anzugehen.
Diese bezaubernde Wintergartenwelt, die auch in der kalten Jahreszeit etwas zurückschenkt, erlebt nur jener Gartenbesitzer, der seine Schere Ende Oktober bis Mitte November in Zaum hält. Oder wie Karl Foerster umgekehrt mahnte: Wer seine Stauden schon im November zurückschneide, nehme Schnee und Reif viele Gestaltungsmöglichkeiten. Zumal Raureif - er nannte ihn die »Mozart-Musik des Winters, gespielt bei atemloser Stille der Natur« - dem Winter alle Erdenschwere nimmt. Ohne den Winter wäre des Frühling nicht halb so schön.
»Es wird durchgeblüht«
Aber diese Zaubereien von Reif und Schnee, von Frost und Eis sind nur die eine Seite des Winters im Garten. Die andere ist eine Blütenvielfalt, die es in unserer Gartenkultur erst zu entdecken gilt.
Auch dazu äußerte er sich, unser Mentor Karl Foerster, mit seiner nachdrücklichen Aufforderung an den Garten, zugleich einem kategorischen Imperativ an den Gärtner (oder vielleicht sollte ich eher sagen, mit einem »botanischen Imperativ«): »Es wird durchgeblüht.« Dies sagte er mit einem gewissen, einem sympathischen Nachdruck, als wenn er es zum Gesetz erheben wollte für die gesamte Zeit zwischen November und März. Das mag den unbefangenen Gartenliebhaber hierzulande erst einmal verwundern, der glaubt, der Garten sei im Winter tot. Aber ein Garten ist nicht tot - nur dann, wenn man es will, nur dann, wenn man ihn für drei, vier Monate sterben lässt.
Ihn am Leben zu erhalten, ist gar nicht so schwer. Es liegt in der Natur als Angebot, wir können dieses Angebot wahrnehmen, annehmen und nutzen. Wenn wir nur wollen. Das heißt, wir können immer Farbe haben, wir können uns auch in dieser vierten Jahreszeit an der Natur erfreuen. In dieser Saison wird das wieder anders sein als in den vergangenen drei, und doch hat die Natur hier erneute Freudenspiele »auf Lager«. Pflanzen sind dafür reichlich vorhanden, nur wenige
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