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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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berührte schon fast die Knie, die Haare hingen bis auf den Boden herab. Sie schluchzte leise, zuckte von Zeit zu Zeit zusammen.
    »Vì«, murmelte Francesca.
    Die Frau hob den Kopf, versuchte, sich zusammenzureißen. Tränen hatten schwarze Autobahnen aus Lidschatten auf ihre Wangen gezeichnet. Sie stand auf. Die Robbe flog in ihre Arme, und innerhalb von Sekunden fing auch sie an, ihre Tränenkanäle zu entleeren.
    Ich hätte neben ihnen warten müssen, ohne mich an jemanden klammern zu können. Also schlenderte ich ein wenig auf dem Flur herum.
    Der Operationssaal lag am Ende eines langen Flurs wie eine Falltür am Grund einer unheimlichen, hell erleuchteten Schlucht. »OPERATIONSSAAL« stand über der Tür, um jedes Missverständnis auszuschließen. Hinter einem Schreibtisch saß ein Pfleger im gestärkten, weißen Kittel, der mit seinem Stift auf ein Blatt Papier klopfte, während er leise ins Telefon sprach. Ein Helm und ein Overall im Stil von 2001: Odyssee im Weltraum hätten ihm gut gestanden. Hier wurde jedes Geräusch abgedämpft, alle Flächen glänzten, kein einziger Gegenstand schien nicht an seinem Platz zu stehen. Richtig zum Fürchten, verflucht.
    Als ich zu den Frauen zurückkehrte, sagte Virginia gerade: »… ich hab es nicht gewagt, euch rufen zu lassen. Er ist seit etwa zwanzig Minuten dort drin …«
    »Aber was haben sie gesagt?«, fragte ich. »Wie schlimm ist es, darf man das erfahren?«
    Sie sah mich an, dann ihren Liebling. Francy strich ihr über die Haare, und gleich darauf rief sie in einem einzigen Atemzug: »Sie sagen, er könnte sterben.« Jetzt, wo dieser Satz heraus war, schien er in ihren Ohren noch entsetzlicher zu klingen als in unseren, denn ihre Züge runzelten sich sofort wieder zu einer schmerzverzerrten Grimasse, und der nächste Weinkrampf schüttelte sie.
    Ich erstarrte auf der Stelle.
    Ich versuchte, mir eine Welt ohne ihn vorzustellen.
    Der Chef konnte sterben und eine Menge Dinge mit sich nehmen, die mir in diesem Moment unschätzbar wertvoll erschienen.
    Er konnte sterben.
    »Red keinen Scheiß!«, rief ich und schüttelte mich. Wieder lief ich auf den Flur. Ich suchte das Männerklo und schloss mich darin ein. Ein bisschen nervös wegen des möglichen Feueralarms, zündete ich mir eine Kippe an. Ich blies den Rauch an die Decke und wartete darauf, dass die Sensoren ihn entdeckten.
    Aber nichts geschah: nur diese ungerührte Stille und ein Gestank nach Formaldehyd, vermischt mit Urin, während ich die ekelhafteste Zigarette meines Lebens rauchte.
    Acht Uhr abends, neun Uhr.
    Der helle, erstickend heiße Augusttag war einem finsteren Abend gewichen: Am Himmel, den ich von den Stuhlreihen im Wartesaal aus betrachtete, jagten sich regenschwere, pechschwarze Wolkenmassen. Gegen zehn, gerade als die ersten Blitze die Luft zerrissen, entschied ich, dass ich diese Situation hier nicht länger ertragen konnte. Ich ließ die beiden flüsternden Frauen im Wartesaal zurück und ging in Richtung Schreibtisch, wo der Typ saß.
    Er sah mich ankommen und legte das Revolverblatt weg, in dem er gelesen hatte.
    »Ja, bitte?«, fragte er, als ich in den Raum eindrang, der seiner Rechtsprechung unterstand.
    »Ich möchte gerne wissen«, begann ich mit dem Höchstmaß an Gelassenheit, das ich aufbringen konnte, »was zum Teufel hinter dieser Tür geschieht.«
    Er hob eine Augenbraue und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinem Sessel zurück.
    »Dort findet eine komplizierte Operation statt«, erklärte er in resolutem Ton. »Das habe ich Ihrer Mutter bereits gesagt.«
    »Das ist nicht meine Mutter, Herrgott noch mal!«
    »Ich verstehe«, sagte er unbeirrt. »Entschuldigen Sie bitte. Ich habe es der Dame bereits gesagt.«
    »Und was muss ich tun, um zu erfahren, wie sich die Dinge entwickeln? Dir den Schreibtisch zertrümmern?«
    Jetzt musste er mich für geisteskrank und gefährlich halten, denn er warf einen Blick auf die Papiere, in denen er zuvor gekritzelt hatte. Laut las er den Namen und Nachnamen des Chefs vor. »Doktor Frescotti ist der Chirurg. Er wurde sofort gerufen, als die Ultraschalluntersuchung und das CT auf eine schwere innere Blutung hinwiesen.«
    »Das habe ich schon kapiert.«
    »Ich werde versuchen, nach drinnen zu telefonieren. Aber Sie gehen in den Wartesaal zurück, denn hier können Sie nicht stehenbleiben.«
    »Genau hier bleibe ich aber stehen«, sagte ich liebenswürdig. Ich legte eine Hand auf seinen Schreibtisch und zeigte ihm meine von zahlreichen

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