Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe
eine Katastrophe. Wie beim ersten Wurf traf ich nicht einmal auf die Scheibe. Mein Pfeil bohrte sich in die Wand.
Der taube Alte hatte siebzig gemacht. Und als er meine unberührte Scheibe sah, schrie er vor Verwunderung und Freude laut auf. Alle liefen herbei, um ihn zu umarmen.
»Das gilt nicht!«, rief ich. »Ich habe das Gleichgewicht verloren!«
Gute zehn Minuten lang protestierte ich so glaubwürdig wie möglich. »Nein!«, jammerte ich. »Das ist doch nicht möglich, verdammte Scheiße! Ich bin ausgerutscht, ihr habt es alle gesehen. Lasst mich noch einmal werfen.«
»So sind nun mal die Regeln«, gab der Alte zurück, empört über meinen miserablen Sportsgeist, aber mit Freudentränen in den Augen.
»Der Mann hat recht!«, sagten alle.
»Signor Alberto hat gewonnen!«, dekretierte der Barmann.
Federico, der Pusher, lachte mich aus. »Du hast dich selbst in die Scheiße geritten, Näschen.«
»NEIIIN!«, schrie ich. Die Sache begann mir Spaß zu machen. Ich warf mich der Länge nach über die Theke und versuchte, den Pokal zu ergreifen. »NEIIIN!«
Man packte mich und schob mich gewaltsam weg, obwohl ich lebensecht zappelte und schrie, getreu der Methode der Schauspielschule Stanislawski.
»Der ist ja völlig ausgerastet!«, sagte einer.
»DER POKAL GEHÖRT MIIIIR!«
Sie packten mich zu dritt oder viert an den Armen. Normalerweise hätte ich, ohne nach rechts oder links zu schauen, Schädel und Kieferknochen zertrümmert. Aber ich ließ sie gewähren.
Sie schubsten mich aus der Bar.
»DER POKAL GEHÖRT MIIIIR!!!« Irgendwann musste ich fast lachen.
»Blöder Sack«, zischte ein Typ um die vierzig, fett und dumpfbackig. »Wenn Tony sie dir nicht schon zerschlagen hätte, würde ich dir deine Scheißnase liebend gerne einhauen!«
Von draußen sah ich den Alten stolz seine Trophäe hochheben.
Kurz nach sieben Uhr. Eine Bande von Arschlöchern, dachte ich. Und machte mich lächelnd auf den Heimweg.
Ich ging seit zehn Minuten, als ein Auto ankam und neben mir herfuhr. Es war Chiaras Renault.
Ich sah, wie das Fenster auf der Beifahrerseite sich senkte. Chiara beugte sich in meine Richtung.
»He, Näschen!«, sagte sie.
»Was willst du?«, fragte ich, ohne stehenzubleiben.
»Du bist richtig gut darin, dich zum Gespött machen zu lassen.«
Sie gefiel mir, klar, aber jetzt ging sie mir auf den Sack. »Du gehst mir auf den Sack.«
Sie gab den bissigen Ton auf. »Soll ich dich mitnehmen?«
»Danke, ich bin fast da.«
»Warte.«
Ich blieb stehen. »Was ist los?«
Ich bückte mich, um in das Auto hineinzuschauen. Unsere Gesichter waren nur wenige Zentimeter voneinander entfernt.
»Das war schön, was du getan hast.«
»Was?«
»Du weißt schon.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
Sie lächelte seltsam. Sie schien sich zu amüsieren. »Weißt du noch, wie du Tonys Harley umgeworfen hast?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Es stimmt nicht, dass dich der ganze Ort gesehen hat.«
»Ach, nein?«
»Es war nur einer.«
»Verrate mir, wer es war, und ich reiß ihm den Arsch auf«, sagte ich sofort.
»Der Alte, den du heute Abend hast gewinnen lassen.«
Ohne das Fenster zu schließen, legte sie den Gang ein und verschwand im warmen Augustabend.
Ich bog in unser Sträßchen ein, und da sah ich den Krankenwagen. Scheiße, was war hier los?
Wahrscheinlich war einer der beiden Mauerbrecher mit der Spitzhacke auf den anderen losgegangen, oder jemand war mit einem Infarkt zusammengebrochen. Aber ich hatte ein böses Gefühl.
Gerade als ich auf den Krankenwagen zulaufen wollte, kam eine Prozession aus dem Hauseingang: ein Pfleger in Uniform mit Funkgerät, das auf seinem Rücken vor sich hin quakte, Meister Kackmütze mit ernstem Gesicht, seine Gehilfen, die beiden Komiker, die einen besorgten Blick wechselten, und dahinter zwei weitere Sanitäter mit einer Trage. Neben ihr ging, über den Liegenden gebeugt, eine von der Angst völlig entstellte Mönchsrobbe.
Der Liegende war der Chef. Ich erstarrte.
Der erste Pfleger sprach in psalmodierendem Ton in sein Funkgerät: »Wir fahren jetzt los. Männlicher Patient um die vierzig. Wahrscheinlich Leberblutung. In zehn Minuten sind wir da.«
Ich riss mich aus meiner Erstarrung, stieß einen der beiden Mauerbrecher zur Seite und lief auf die Trage zu. Der Chef fasste sich an die rechte Seite. Er gab keinen Laut von sich, aber seine Züge waren schmerzverzerrt, die Augen geschlossen. »He, Chef!«, rief ich und zur Mönchsrobbe: »Was ist los
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