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Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe

Titel: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe - Frascella, C: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Frascella
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wem hast du gesprochen?«, fragte ich, als sie sich wieder setzte. Sie antwortete nicht, also konnte es nur Mauro gewesen sein. Ich warf ihr einen strengen Blick zu. Sie fing wieder an, sich in ihrer Qual zu winden, beachtete mich nicht. Erst tat sie mir ein bisschen leid, dann beneidete ich sie. Ich hätte auch gerne jemanden angerufen, ich hätte auch gerne einen Menschen gehabt, der mir zuhörte. Ich überlegte, ob ich Chiara anrufen sollte, fast hörte ich schon ihre Stimme: »Hallo?« »Ich bin’s«, würde ich sagen. Und ihr erzählen, was passiert war.
    Aber ich fand keinen Trost darin, mir eine solche Szene vorzustellen, wirklich absolut keinen, also gab ich es auf. »Was genau ist passiert?«, fragte ich stattdessen.
    Sie zuckte mit den Achseln. Der Chef war beim Arbeiten zusammengebrochen, mehr nicht. Nichts Außergewöhnliches. Aber für sie schien das eine Tragödie zu sein, denn während sie sprach, fing sie an zu weinen, dicke Tränen rollten ihr über die Wangen.
    Diesmal musste ich sie umarmen, und wieder kam mir der Gedanke, wie viel Zeit vergangen war, seit wir uns zum letzten Mal umarmt hatten. Und sie war gar nicht so schmuddelig, wie ich gedacht hatte, sie war nur klein und nicht besonders klug in einer Welt, in der man so stark und schlau sein musste wie ich, um sich erfolgreich durchzuschlagen.
    Wir hörten, wie die Tür sich öffnete. Virginia kam heraus und drückte uns an sich. Sofort löste ich mich aus ihrer Umarmung. Meine Schwester konnte ich gerade noch ertragen, aber die da nicht!
    »Sie bringen ihn nach oben zum CT«, erklärte sie uns. »Ich gehe mit ihm, dann gebe ich euch Bescheid.«
    »Ja, aber wie geht es ihm?« fragte ich.
    »Ich komme so schnell wie möglich zurück.« Sie gab Francesca einen Kuss und ging wieder hinein.
    Eine weitere Stunde verging, in der Virginia sich nicht blicken ließ, wohingegen die Anzahl der Verwandten in dem Wartesaal sich verzehnfacht hatte, ebenso das Stimmengewirr und die kollektive Hysterie, die jedoch auf der Stelle erstarben, als ich mich erhob und an die Tür klopfte. Energisch.
    In der grimmigen, tiefen Stille, die nun entstanden war, öffnete sich die Tür, und eine Krankenschwester kam heraus, die, nach ihrem Aussehen zu urteilen, eine verkleidete Langzeitpatientin sein konnte oder vielleicht eine, die man nach zwanzig Jahren Krankenhausaufenthalt vom Fleck weg eingestellt hatte.
    »Worum geht es?«, fragte sie mich streng.
    Ich versuchte es ihr im Guten zu erklären, aber entweder war sie schwachsinnig oder sie tat so, als verstünde sie nichts, denn sie sagte: »Nur ein Verwandter pro Patient, tut mir leid.«
    »Aber mein Vater ist da drin!«, schrie ich.
    »Ja, aber eure Mutter ist schon reingekommen, also …«
    Sie hatte den Fehler begangen, etwa zwanzig Zentimeter Raum zwischen sich und der Tür zu lassen, also schlüpfte ich unter ihrem Arm hindurch und machte ein paar schnelle Schritte in den Raum hinein. Ich erkannte das Behandlungszimmer, wo man mich erst vor ein paar Abenden gefoltert hatte, und riss eine andere Tür auf, ohne zu klopfen, während die Tussi hinter mir irgendetwas Nutzloses kreischte.
    In der Ambulanz untersuchte die Marongiu gerade die Schulter eines Mannes, unterstützt von einem Krankenpfleger.
    »He, hier kann man nicht so einfach reinkommen!«, rief der Pfleger. »Wo glaubst du …«
    Die Marongiu brachte ihn zum Schweigen und kam auf mich zu. Sie schob mich zur Seite, an eine Wand. »Dein Vater kommt gleich in den Operationssaal«, sagte sie in einem einzigen Atemzug. »Und deine Mutter …«
    »Die ist nicht meine Mutter!«, brüllte ich.
    »… hat beschlossen, euch nicht rufen zu lassen.«
    »Ist es denn schlimm?«
    Sie antwortete nicht.
    »Was nun?«, drängte ich. Ein Angstschauer überlief mich, ich war nicht sicher, ob ich die Antwort hören wollte.
    Sie legte ihre Hände auf meine Schultern. »Es ist schlimm, sonst hätte man nicht beschlossen, zu operieren. Versuch dich zu beruhigen und geh mit deiner Schwester in den vierten Stock. Aber dort wirst du auch warten müssen.« Sie strich mir über die Haare. »Nur Mut!«
    Ohne etwas zu sagen, denn es gab nichts zu sagen, drehte ich ihr den Rücken zu und ging die Mönchsrobbe holen.
    Im vierten Stock zeigte man uns einen Wartesaal, den am nächsten liegenden einer, wie mir schien, unendlichen Reihe von Wartesälen, in denen ich mein Leben in letzter Zeit so oft parken musste.
    In dem Saal fanden wir Virginia vornübergebeugt sitzend, ihre Stirn

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