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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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ich erst, als ich unten an der Treppe ankam und mir die Brust wehtat. Jas war draußen auf der Veranda. Ich sah ihre Umrisse durchs Fenster. Sie umarmte Mum, die ihren Kopf an Jas’ Schulter gelegt hatte.
    Oma hat mal gesagt, dass Leute vor Neid grün werden können. Das glaube ich nicht. Grün ist ruhig und frisch. So rein und kühl wie Minzzahnpasta. Neid ist rot. Der brennt nämlich in den Adern und im Bauch.
    Ich schlich zum Briefkasten. Roger wollte runter, und ich setzte ihn ab. Er flitzte den Flur entlang. Jas und Mum wiegten sich, als würden sie zu Musik tanzen, die ich nicht hören konnte. Als ich den Briefschlitz aufmachte, drang kühle Luft durch die Klappe. Es roch nach Rauch. Nigels Pfeife.
    Ich kann kaum glauben, dass du hier bist , raunte Jas. So eine tolle Überraschung. Dann gab es ein Kussgeräusch. Ich stellte mir vor, dass Mum Jas auf die Wange küsste. Ich versuchte, durch den Briefschlitz zu gucken, konnte aber nur eine Gestalt in einem Mantel erkennen. Am liebsten hätte ich die Finger durch den Schlitz gesteckt und nach dem schwarzen Stoff gegriffen. Ich hatte Angst, dass Mum einfach wieder verschwinden würde. Du kannst nicht lange bleiben , flüsterte Jas und kicherte. Wenn Dad dahinterkommt, bringt er mich um. Ich hörte wieder einen Kuss. Los, fahr schon , sagte Jas dann. Ich wartete darauf, dass sie Aber erst musst du noch mit Jamie reden sagen würde. Das passierte aber nicht. Ich beugte mich vor und horchte angestrengt. Mir wurde ganz kalt. Jas wollte Mum vor mir geheim halten.
    Nun fahr schon , murmelte Jas, und ich stand auf. Mum durfte nicht wegfahren, ohne mein T-Shirt gesehen zu haben. Meine Adern fühlten sich an, als sei eine Marschkapelle darin unterwegs. Sie trommelte in meinem Herz und meinem Kopf und in dieser weichen Stelle am Hals, die immer POCH POCH macht. Jas lehnte jetzt an der Tür. Oh Schatz , sagte sie, was ein komischer Ausdruck war für Mum, aber ich hatte keine Zeit darüber nachzudenken, weil meine Hand vorschoss und den Türknauf drehte. Jas plumpste auf den Teppich im Flur, und ich machte den Mund auf, um Verräterin zu ihr zu sagen. Aber das Wort blieb mir im Hals stecken, weil Mum diesmal kein Milchmann, kein Bauer und auch kein Nachbar war. Sondern ein Junge mit grünen Stachelhaaren, einem Ring in der Lippe und einer schwarzen Lederjacke. Ich machte den Mund zu. Und dann wieder auf und noch mal zu. Du siehst aus wie ein Fisch auf dem Trockenen , sagte der Junge zu mir. Und ich sagte Besser als ein grüner Igel , was wohl so ziemlich das Komischste war, was ich jemals gesagt habe. Der Junge lachte. Sein Atem roch nach Rauch. Ich bin Leo, sagte er und streckte mir die Hand hin, als sei ich jemand Wichtiges. Ich schüttelte ihm die Hand, als sei das für mich ganz normal. Ich bin Jamie, sagte ich. Ich wusste nicht recht, wann ich mit dem Schütteln wieder aufhören sollte, aber Leo ließ dann einfach los. Meine Finger fühlten sich ziemlich gequetscht an.
    Jas schaute sich das alles vom Boden aus an. Ich grinste, weil ich mich freute, dass sie doch keine Verräterin war. Du neugierige kleine Ratte , sagte sie zu mir. Ihre Augen sahen riesig aus, wenn sie nicht schwarz geschminkt waren. Sie schaute zur Treppe hoch, ob Dad nicht auftauchen würde. Dabei wussten wir beide, dass er besoffen im Bett lag.
    Leo zog Jas hoch. Er war groß und stark und toll. Jas reichte ihm nur bis zur Schulter, und er legte den Arm um sie. Verpetz mich nicht , flüsterte sie und schmiegte sich an Leo. Ich fühlte mich ein bisschen komisch, bis Roger mir wieder um die Beine strich. Ich nahm ihn schnell hoch und drückte ihn an mich.
    Jas und Leo küssten sich. Das schaute ich mir etwa fünfzehn Sekunden an, dann fiel mir ein, dass Oma immer sagt Leute anstarren gehört sich nicht . Deshalb verzog ich mich, als sei es ganz normal, dass meine Schwester kurz nach Mitternacht im Flur mit einem Jungen knutschte. Der Mond schien in die Küche, und alles sah farblos aus. So wie Mrs. Farmers Augen. Ich war wütend, weil sie behauptet hatte, ich sei ein Dieb. Ich hatte nie irgendwas gestohlen außer ein paar Trauben, wenn ich mit Mum den großen Einkauf im Supermarkt machte. Wenn sie nicht hinschaute, zupfte ich eine Traube ab, steckte sie in den Mund und zerdrückte sie mit der Zunge, damit Mum mich nicht kauen sah.
    Roger sprang von meinem Arm. Ich machte die Hintertür auf und ging in den Garten raus. Das Gras war eiskalt unter den Füßen, und die Luft kribbelte auf der Haut. Millionen

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