Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
Vom Netzwerk:
und deutete auf mich. Jamie war dabei, als ich die Nachricht kriegte . Es war nur eine winzige Bewegung, als Sunya mich mit dem Ellbogen anstieß, aber ich verstand sofort. Daniel klang jetzt flehend. Er hatte Angst. Sag es ihnen, Jamie. Sag ihnen, was mir das Mädchen mit den Zöpfen ausgerichtet hat. Zum ersten Mal an diesem Tag schaute ich Daniel direkt an. Tut mir leid, Daniel. Ich weiß nicht, was du meinst.
    Mrs. Farmer war so außer sich, dass sie nicht mehr unterrichten konnte. Deshalb las die fette Essensfrau uns Geschichten vor. Als wir heimgehen durften, rasten alle sofort raus. Alle bis auf Sunya. Ich wollte mit ihr reden, wusste aber nicht, wie ich anfangen sollte. Deshalb klappte ich mein Federmäppchen auf und ordnete meine Stifte. Als sie alle in die gleiche Richtung zeigten, schaute ich auf und merkte, dass Sunya mich beobachtete. Sie lutschte an einem rosa Lolli, der genauso aussah wie der von dem Mädchen mit den Zöpfen. Bestechung , sagte Sunya mit einem Achselzucken, so als sei ihre Idee ganz einfach gewesen und nicht der beste Plan der Welt und vermutlich des gesamten Universums, das für immer und ewig bestehen bleibt, wie Mrs. Farmer behauptet.
    Ich nickte, und mir war schwindlig, und ich war so aufgeregt, wie wenn man in eine Achterbahn steigt. Sunya griff in ihre Tasche und holte die zwei Klebkneteringe heraus. Auf dem einen steckte der braune Stein, auf dem anderen der weiße. Ihre Augen glitzerten wie Lichtstrahler, als sie mich ansah. Dann streifte sie den Ring mit dem braunen Stein über ihren Mittelfinger und reichte mir mit ernstem Gesicht den anderen. Ich zögerte nicht mal eine Sekunde. Dann streifte ich ihn über meinen Finger.

8
    Die Blätter in den Pfützen sehen wie tote Goldfische aus. Und alles Grün ist jetzt so braun und dunkelrot, als hätten die Hügel sich irgendwo gestoßen. Mir gefällt das. Den Sommer finde ich ein bisschen zu hell. Und zu fröhlich. Wenn die Blumen im Wind tanzen und die Vögel singen, kommt mir das immer vor, als ob die Natur eine Riesenparty feiert. Den Herbst finde ich besser. Da ist alles trübe, und ich fühle mich nicht so ausgeschlossen von all dem Spaß um mich herum.
    Es ist fast Ende Oktober, meine Lieblingszeit des Jahres. Von allen Festen mag ich Halloween am liebsten. Ich finde es super, mich zu verkleiden und Süßigkeiten zu ergattern, und meine Streiche sind ziemlich gut. Als ich noch klein war, hat Mum mir nie erlaubt, Scherzartikel zu kaufen. Deshalb musste ich mir selbst was ausdenken. Du bekommst doch die Süßigkeiten auch so, niemand will diese Streiche, behauptete Mum, und das war die größte Lüge, die sie je erzählt hat außer der über Dad. Am dritten Jahrestag von Rose’ Tod betrank sich Dad und machte Mum dann Vorwürfe. Er fing wieder vom Trafalgar Square und den Tauben an und schrie, wenn Mum strenger gewesen wäre, dann wäre Rose noch am Leben. Mum war in der Küche und malte, aber sie konnte vor lauter Tränen die Farben nicht richtig erkennen. Aus Versehen hatte sie ein Herz pechschwarz gemalt. Ich sagte es ihr, holte einen Pinsel und umrandete das Herz rot. Trennt ihr euch jetzt, fragte ich sie, als ich damit fertig war. Weil alles so schlimm ist . Mum schniefte. Schlimmer kann’s gar nicht mehr kommen , murmelte sie. Ich ließ meinen Pinsel in die Spüle fallen. Ihr trennt euch also nicht , fragte ich, um ganz sicher zu sein, und Mum zögerte kurz und schüttelte dann den Kopf. Das war die größte Lüge, aber die über Halloween war fast genauso übel, weil ich deshalb nicht vorbereitet war, und das war total peinlich.
    Als der unheimliche Nachbar mit der Bulldogge sagte Saures, hatte ich nämlich keine Ahnung, was ich machen sollte. Bist du taub , sagte er dann, und ich schüttelte den Kopf, und er sagte Na, passiert dann mal was . Also sagte ich ihm, er solle die Augen zumachen, und dann kniff ich ihn in den Arm. Er fluchte, und die Bulldogge bellte, als ich wegrannte. In diesem Jahr traute ich mich an Halloween nirgendwo mehr hin, weil ich so was nicht noch mal erleben wollte. Aber im Jahr darauf wollte ich nicht auf die Süßigkeiten verzichten und ließ mir selbst ein paar Streiche einfallen.
    Dieses Halloween wird bestimmt das beste von allen. Sunya hat mehr Fantasie als der fantasievollste Mensch, den ich mir denken kann, und das ist zur Zeit Willy Wonka. Diese Geschichte mit dem Teufel kann ich immer noch kaum glauben. Keiner kam dahinter, dass Sunya den gemalt hatte, und Daniel kriegte für drei Tage

Weitere Kostenlose Bücher