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Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition)

Titel: Meine Schwester lebt auf dem Kaminsims: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Pitcher
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mich ins Tor stellte. Ich hatte Dad gebeten, dass er zum Spiel kommt, und er wuschelte mir durch die Haare, als sei er stolz auf mich. Wir haben dann dreizehn zu null verloren, aber ich war nur an sechs Toren schuld. Als das Spiel anfing, war ich enttäuscht, weil Dad nicht da war, aber am Ende war ich dann froh drüber.
    Von Rose habe ich ein Buch bekommen. Wie üblich lag ihr Geschenk neben der Urne im Wohnzimmer. Ich hätte fast laut gelacht, als ich es da liegen sah, weil ich mir vorstellte, wie die Urne Arme, Beine und einen Kopf bekam und zum Laden marschierte, um mir ein Geschenk zu kaufen. Aber Dad schaute mich ernsthaft an, also riss ich das Papier auf und versuchte, nicht enttäuscht auszusehen, weil ich das Buch schon kannte. Ich lese ziemlich viel. In London ging ich in der Mittagspause immer in die Schulbücherei. Bücher sind bessere Freunde als Menschen , sagte der Bibliothekar. Ich glaube nicht, dass das stimmt. Luke Branston war vier Tage lang mein Freund, als er sich mit Dillon Sykes zerstritten hatte, weil der sein Lineal von FC Arsenal zerbrochen hatte. Luke und ich saßen dann beim Essen zusammen und spielten Trumpfkarten auf dem Spielgelände, und fast eine ganze Woche lang nannte mich niemand mehr Wurmschwanz .
    Jas wartet unten auf mich. Wir wollen gleich in den Park gehen und Fußball spielen. Jas hatte Dad gefragt, ob er mitkommt. Dann kannst du sehen, wie Jamie seine neuen Schuhe ausprobiert , sagte sie, aber Dad grunzte nur und schaltete den Fernseher ein. Er sah verkatert aus, und als ich in den Abfalleimer schaute, lag eine leere Wodkaflasche drin. Jas flüsterte mir zu Wir brauchen ihn nicht und rief dann Los, wir gehen spielen , als gäbe es nichts Tolleres auf der Welt.
    Jetzt hat sie grade von unten gerufen, ob ich fertig bin. Gleich, habe ich geantwortet , aber ich sitze immer noch auf dem Fensterbrett, weil ich auf die Post warte. Sie kommt immer zwischen zehn und elf. Ich glaube nicht, dass Mum meinen Geburtstag vergessen hat. Wichtige Geburtstage sind in meinem Gedächtnis so unauslöschlich, als hätte man sie mit einem Paketstift an ein Whiteboard geschrieben. Aber vielleicht ist Mum anders, seit sie mit Nigel zusammen ist. Vielleicht hat Nigel eigene Kinder, und Mum hat jetzt deren Geburtstage im Kopf.
    Von Oma werde ich auf jeden Fall was kriegen. Oma lebt in Schottland, wo auch Dad herkommt, und sie vergisst nie was, obwohl sie schon einundachtzig ist. Ich würde sie gern öfter sehen, weil sie der einzige Mensch ist, vor dem Dad Angst hat und der ihn vielleicht vom Trinken abbringen könnte. Dad fährt nie mit uns zu ihr, und sie kann uns nicht mehr besuchen kommen, weil sie zu alt ist. Ich glaube, ich bin Oma ziemlich ähnlich. Sie hat rote Haare und Sommersprossen und ist so tough wie ich. Bei Rose’ Begräbnis war Oma der einzige Mensch außer mir in der Kirche, der nicht geweint hat. Das hat Jas mir erzählt.
    Der Park ist über einen Kilometer von unserem Haus weg, und wir sind fast den ganzen Weg gerannt. Ich habe gemerkt, dass Jas wieder Kalorien verbrennen wollte. Wenn wir fernsehen, reißt sie manchmal plötzlich ihr Bein hoch, und nach der Schule macht sie immer endlos Sit-ups. Sie sah echt komisch aus, wie sie mit ihren rosa Haaren und dem langen schwarzen Mantel an den Schafen vorbeilief, die sie anglotzten und Bäääh machten. Ich hielt immer noch Ausschau nach dem Postboten, weil es schon fast elf war und ich ihn noch nicht gesehen hatte.
    Als wir in den Park kamen, saßen auf den Schaukeln drei Mädchen. Sie starrten uns an, und ihre Blicke fühlten sich wie Brennnesseln an. Ich wurde rot und blieb am Tor zum Spielplatz stehen. Jas kümmerte sich nicht um die Mädchen, sondern lief an ihnen vorbei und stellte sich mit ihren pechschwarzen Stiefeln auf eine Schaukel. Die Mädchen guckten sie an, als sei sie ein Monster, aber Jas schaukelte ganz wild und hoch und lächelte dabei, als könne nichts ihr Angst einjagen.
    Jas versteht mehr von Musik als von Fußball, und es war nicht schwer, sie zu schlagen – sieben zu zwei. Mein bester Treffer war ein Volleyschuss mit links. Jas meint, dieses Jahr könnte ich es in die Schulmannschaft schaffen. Sie hat gesagt, meine neuen Schuhe seien echte Zauberschuhe, mit denen könnte ich spielen wie Wayne Rooney. Meine Zehen kribbelten wirklich, als seien sie verzaubert worden, und einen Moment lang dachte ich, dass Jas recht hätte. Aber dann merkte ich, dass der Fuß blau angelaufen war, weil das Blut abgeklemmt war.

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