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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Wachposten zu beiden Seiten der Vortreppe standen. Ich hatte überlegt, was ich ihr mitbringen sollte. Vielleicht wären das geeignetste Geschenk ein Paar Babystiefel gewesen - oder eine Gucci-Rassel -, aber ich war unsicher. Außerdem wollte ich, bevor ich mich von der bösen in die gute Fee verwandelte, meine neue Rolle auch spüren .
    Ich hatte gar nichts dabei. Ich würde nicht versuchen, sie zu bestechen. (Nicht wie Vivica - sie glaubte, dass man sich mit einer geschickt überreichten Schachtel Godiva-Pralinen von einer Mordanklage freikaufen konnte.) Ich war zutiefst beschämt über das, was ich Cassie und George angetan hatte - vor allem jetzt, nachdem ich begriffen hatte, wie viel ich ihr bedeutete. Ich akzeptierte Vivicas Erklärung über Cassies Gründe, mir die Wahrheit vorzuenthalten. Cassie hatte mich seit jeher beschützen wollen, und erst jetzt war mir klar geworden, wie weit ihr Bedürfnis dabei gegangen war.
    Unser Vater hatte mir von Cassies niedrigem Blutdruck erzählt, und das klang vernünftig. Ich gestattete mir sogar ein stilles Lächeln bei dem Gedanken, dass die Montgomerys an Bluthochdruck leiden. Ich hatte mich selbst verrückt gemacht, nur weil ich unbedingt an ihren Betrug glauben wollte, weil ich einen Vorwand gebraucht hatte, meinen Zorn am Kochen zu halten. Ich hatte das Gefühl, dass sich durch diese lächerliche Anschuldigung meine kindische Psyche als das offenbart hatte, was sie war. Wenn ich für die bucklige Verwandtschaft eine Lachnummer war, dann hatte ich es nicht anders verdient. Abgesehen von allem anderen schlurfte Tim ständig mit offener Unterhose und halb raushängendem Willi durchs Haus. Es war praktisch sein Erkennungszeichen.
    Ich läutete und wartete ab.
    Ich würde mich auf meine Entschuldigung konzentrieren.
Dass ich von der Adoption wusste, würde ich ihr nicht verraten - noch nicht. Je länger ich darüber nachdachte, desto nervöser wurde ich. Cassie hatte mir nichts erzählt, weil sie Angst hatte, dass wir danach weniger eng sein könnten. Wenn ich ihr erzählte, dass ich alles wusste, würde es vielleicht wirklich so kommen.
    Cassie war sofort an der Tür. Ich setzte direkt zu meiner Entschuldigung an und versuchte gleichzeitig, die sanfte Schwellung ihres Bauches und die messerscharfen Nadelstiche in meinem Herzen zu ignorieren. So vieles tat noch weh, und es schmerzte auf so vielen verschiedenen Ebenen.
    Aber sie kam mir zuvor. »Dass du unsere gesamte Verwandtschaft belogen hast, ist mir egal, aber ich kann nicht behaupten, Lizbet, dass es besonders angenehm war, wie du mich in den letzten Monaten mit negativen Gefühlen bombardiert hast.«
    Sie ergänzte nicht: »Während meiner Schwangerschaft«, aber ich war sicher, dass sie es in Gedanken hinzusetzte, und ich schämte mich. Ich hatte mich furchtbar aufgeführt.
    »Ich fühle mich schrecklich, falls es dich tröstet«, sagte ich. »Und ich habe das auch diversen … Verwandten … erklärt.« Ich holte Luft. »Wie geht es dir?«
    »Gut«, sagte sie.
    Cassie würde lieber dem Tod ins Auge blicken, als zuzugeben, dass die Schwangerschaft ihr physisch oder psychisch zusetzte. Genauso reagierte sie auf ihre Tage, obwohl sie mit vierzehn deswegen vor Schmerz in Ohnmacht gefallen war.
    »Gut«, sagte ich. »Gut.« Dann erklärte ich hastig: »Du siehst wirklich gut aus.« Ich versuchte, das Wort »blühend« über die Lippen zu bringen, schaffte es aber nicht. »Ich wollte dir was mitbringen, aber -« Ich verstummte. Hat es schon jemals zu irgendwas geführt, einen Satz so anzufangen? Ich
hätte mir gewünscht, dass meine Stimme nicht so gepresst klingen würde, aber wenigstens gelang mir ein aufrichtiges Lächeln. Cassie erwartete ein Kind. Ich konnte mich nicht zu einem »Bezaubernd« durchringen, aber es war … nett. »Und, äh, wie geht’s George?«
    »Du hast mir einen Gefallen getan. George ist Geschichte!«
    Mich traf der nächste Schock, obwohl ich das ja schon gewusst hatte. Gibt es so etwas wie einen Rückkopplungsschock?
    »Hör zu«, sprudelte es aus mir heraus, »ich kann das wieder hinbiegen. Ich meine, Geoffrey hat es mir zwar erzählt, aber, na gut, ich dachte, er übertreibt - George, meine ich. Ich dachte, er ist längst wieder zurück! Er glaubt doch nicht wirklich , dass du und Tim … äh, oder doch?«
    »Du hast es geglaubt.«
    Einen Moment fehlten mir die Worte, so ekelte ich mich vor mir, so ekelte ich mich davor, ich zu sein, so ein widerwärtiger Mensch. Ich sagte: »Ich habe mir

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