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Meine Schwester und andere Katastrophen

Titel: Meine Schwester und andere Katastrophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Maxted
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Minuten glauben lassen, dass das Baby nicht ihr Enkelkind ist?«
    Sie hielt inne. Und mir ging auf, was ich da gesagt hatte. Ich hatte soeben leidenschaftlich bekräftigt, dass Liebe eine Frage der Natur ist und sich alle Pflegeeltern die Kugel geben konnten. Wobei das einfach nicht wahr ist, wie Cassie und ich eindrucksvoll bewiesen (wenn auch in letzter Zeit nicht mehr so sehr). Selbst wenn nicht abzusehen war, wohin das führen würde, musste ich ihr sagen, dass ich Bescheid wusste.
    »Cassie«, setzte ich an. Mein Puls begann zu rasen.

Cassie

KAPITEL 30
    Sie hatten es ihr erzählt.
    Ich warf das Haar zurück, während ich mit der Entscheidung rang, auf wen ich wütend sein sollte.
    Auf niemanden.
    Ich war froh. Erleichtert. Sie hatte es verdient, Bescheid zu wissen. Und es von ihnen zu hören. Trotzdem war ich zutiefst verunsichert.
    »Lizbet«, sagte ich. »du verstehst doch, warum ich es nicht erzählt habe?«
    Sie nickte. »Ich glaube schon.« Ihre Lippen bebten. »Ich meine, ich bin immer noch deine Schwester, oder?«
    Mein Herz schmolz zu rotem Schlamm, und ich stand auf - ganz langsam, damit ich nicht in Ohnmacht fiel, was die Wirkung meiner Geste erheblich beeinträchtigt hätte -, um sie in die Arme zu schließen. »Lizbet«, sagte ich, »du bist meine Schwester, meine liebste Schwester, daran könnte nichts und niemand etwas ändern. Selbst wenn meine leibliche Mutter noch zehn weitere Mädchen bekommen hätte.« Ich holte Luft. »Was sie aber nicht hat. Sie hatte keine weiteren Kinder.«
    Lizbet löste sich mit roten Augen aus meinen Armen und sagte: »O Cass. Du warst ihr einziges Kind. Du musst so wichtig für sie gewesen sein. Ein Baby zu bekommen und gezwungen zu werden, dass du es aufgibst - das ist das Gegenteil
von dem, wie es sein sollte! Und jetzt wird sie nie erfahren, dass … ihr Baby zurückgekommen ist!« Sie ließ den Kopf auf die Armlehne des Sofas sinken und weinte.
    Ich sah sie fassungslos an. Natürlich hatte ich erwartet, dass sie sich aufregen würde. Aber ich hatte geglaubt, sie würde sich aufregen, weil sie etwas verloren hatte. Nicht dass ich mich von ihr lösen würde, doch es musste psychologisch gesehen einen Verlust bedeuten, wenn sie jetzt wusste, dass wir nur durch unser Heim und nicht durch unser Blut verbunden waren. Und dann begriff ich, dass sie sehr wohl um ihren Verlust trauerte. Als Schwester. Aber vor allem als Mutter.
    Schließlich setzte sie sich auf. »Entschuldige«, sagte sie. »Aber das geht mir wirklich nahe. Es geht mir so nahe, wie das für euch beide gewesen sein muss. Wie weh das getan haben muss. Und bei dir - so nah dran gewesen zu sein, es fast geschafft zu haben …«
    Sie ließ sich wieder zurückfallen. Und sprang gleich wieder auf. »Ich wünschte, du hättest es mir erzählt. Kein Wunder, dass es so schwer für dich war, als ich schwanger …«
    »Schon okay«, sagte ich.
    »Nein, das ist es nicht!« Lizbet versuchte aus einem Wasserglas zu trinken, aber sie zitterte so stark, dass das Wasser in ihren Schoß spritzte. »Es ist nicht okay. Hör auf, so zu tun, als wäre alles okay.«
    Wenn ich das Ruder nicht herumriss, würde Lizbet den ganzen Nachmittag ihr Haar raufen und sich mit ihren Schuldgefühlen im Kreis drehen. »Mir ist klar«, sagte ich vorsichtig, »dass das ein ziemlicher Schock für dich ist. Das muss dir surreal vorkommen. Es sind nicht nur ein paar Fakten, mit denen du dich notgedrungen abfinden musst -«
    »Cassie«, murmelte Lizbet, »wir sind zusammen aufgewachsen.
Bitte hör auf, mit mir zu reden, als wäre ich die Gegenanwältin.«
    »Gegnerische Anwältin. Tue ich das? Das wollte ich nicht!« Vielleicht waren Formalitäten doch ein Schild, hinter dem man sich verschanzen konnte. »Es ist nur eine … effiziente Ausdrucksweise …« Meine Stimme erstarb, und wir mussten beide lachen.
    Dann wurde Lizbet wieder ernst. »Ich denke - es sind einfach zu viele Gedanken - aber jetzt, wo ich weiß, dass du adoptiert bist, denke ich, sehe ich unsere Kindheit, nein - ich überdenke sie, nein, äh -«
    Lizbet konnte tagelang über einem einzigen Wort grübeln. Natürlich war sie Journalistin, aber das war nicht der Grund. Jedes einzelne Wort musste in ihrem Kopf das passende Bild hervorrufen, sonst fühlte es sich falsch an. Ihre Phantasie beherrschte sie, was bei einem leicht erregbareren Menschen wie Lizbet schon an Gefährlichkeit grenzte.
    »Du siehst sie in neuem Licht?«
    »Genau! Und -« Sie verstummte.
    Mein Herz rollte sich

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