Meine Schwester und andere Katastrophen
getroffen, dass sie ihr Ladz Mag -Abonnement gekündigt hatte. »Es ist nicht wirklich für meine Altersgruppe gedacht, nicht wahr, meine Liebe?«
»Tante Edith, es tut mir leid, dass ich auf deiner Geburtstagsfeier so eine Szene gemacht habe. Natürlich haben Cassie und Tim keine Affäre. Ich war ein bisschen überreizt. Ich habe die Beherrschung verloren. In letzter Zeit war ich ein bisschen übernervös.«
Tante Ediths Miene blieb unbeteiligt, bis ich mich schon fragte, ob ich so weit gehen musste, auf geistige Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren.
Ich war fast sicher, dass Tante Edith von meiner Fehlgeburt erfahren hatte, und doch hatte sie kein Wort darüber verloren. Jetzt deutete sie es zumindest an. »Elizabeth, jeder von uns macht irgendwann im Leben schwere Zeiten durch. Wo wären wir, wenn wir uns unterkriegen lassen würden, sobald sich uns etwas in den Weg stellt? Die jungen Leute heute haben keine Ahnung, wie es früher war. Sie vergeuden zu viel Zeit damit, sich zu bemitleiden. Wir haben einfach weitergemacht!«
Ich nickte. Natürlich schmerzte es, dass sie mich mit keinem Wort bedauerte, aber, wie Tim es ausdrücken würde, da musste ich »die Zähne zusammenbeißen«. Tante Edith war zu sehr mit ihrer Trauer um Onkel Peter beschäftigt, und mein Affentanz um ein Baby, das ich nie kennen gelernt hatte, musste ihr lachhaft und beleidigend vorgekommen sein. Ich glaube ehrlich, dass die Menschen ihre Trauer eifersüchtig verteidigen - sie wollen nicht teilen. Sie hatte neunundfünfzig Jahre mit Onkel Peter zusammengelebt. Jetzt war er tot, und ihr Leben konnte nur noch schlechter werden. Ich hatte wenigstens die Hoffnung und die Jugend auf meiner Seite.
»Tante Edith«, sagte ich. »Was ich getan habe, tut mir leid. So etwas gehört sich nicht. Ich werde mich nicht unterkriegen lassen.«
Dann verstummte ich. Und sammelte mich. Sie war so ganz anders als der Mensch, der sie früher gewesen war. Ich hätte ihr zu gern erzählt, dass ich endlich von Cassies Adoption wusste - nur weil ich unbedingt etwas Gutes über mich hören wollte -, aber jetzt war Tante Edith an der Reihe. Das war ich ihr schuldig.
»Und, was ist sonst noch auf der Feier passiert?«, fragte ich. »Hat das Essen geschmeckt? Hat Denise eine gute Torte besorgt? … Ian hat sie gebacken? Wie nett von ihm. Macht er so was gut?«
Tante Edith sah mich vielsagend an. Ihre Erwiderung - »Was glaubst du denn?« - verriet mir, dass mir schon halb verziehen war. Und ehrlich gesagt war das wichtiger als alles andere. Sie war fünfundsiebzig - was erwartete ich von ihr? Sie war mir nichts schuldig, und wenn ich nett zu ihr war, reichte das vollkommen.
Tante Edith kramte geschäftig herum und machte uns einen
Kaffee, während ich mit verkniffener Miene auf ihre geschwollenen Knöchel sah. Sie waren lila und fleckig und doppelt so dick wie normal. Sie bewegte sich nur mühsam, schnaufte schwer und musste sich immer wieder abstützen. Außerdem hatte sie einen »Kneifer«, einen Spazierstock mit einer Zange am unteren Ende, mit der sie ohne sich zu bücken etwas vom Boden aufheben konnte. Sie kam mir deutlich älter vor als bei meinem letzten Besuch.
Vielleicht hatte ich wirklich zu viel Zeit verstreichen lassen.
Wir plauderten über eine Stunde - genauer gesagt plauderte sie, während ich zuhörte. Dann küsste ich sie zum Abschied und schloss sie vorsichtig in die Arme.
»Ach«, sagte sie. »Du bist ein gutes Mädchen, Lizbet.« Und dann fast zu sich selbst: »Es wäre dumm, wenn du Tim allzu lange hinhalten würdest. Wer weiß, was für wunderbare Babys noch auf euch warten« - was für eine wunderschöne Vorstellung, dachte ich -, »also, mach endlich hinne!«
Und trotzdem. Ich war noch nicht bereit, ihn anzurufen. Und warum? Weil ich Angst hatte. Tante Edith hatte angenommen, dass ich nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, und schon würde Tim angesprungen kommen und mich mit Rehaugen anhimmeln. Ich war mir da nicht so sicher. Und falls er Nein sagen würde, konnte ich mein Leben abschreiben! Zum Glück hatte ich eine gute Ausrede, denn mir stand erst noch eine ebenso wichtige - und ebenso Angst einflößende - Aussprache bevor. Ich musste mit meiner Schwester reden.
Der Schweiß prickelte heiß und kalt in meinem Nacken, als ich vor ihrer Haustür stand. Diese Tür wirkte auch auf den selbstbewusstesten Besucher imposant - glänzend schwarz
mit Messingklopfer und zwei korrekt gestutzten Minibäumen in Töpfen, die wie
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