Meine Schwester und andere Katastrophen
schwanger.«
Ich rechnete fest mit einem lauten Jubelschrei. Oder einem begeisterten Luftschnappen. Oder dem Ausruf: »Das ist ja super!«
Am wenigsten hatte ich mit der Reaktion gerechnet, die ich bekam. Ein sekundenlanges, zähes, fassungsloses Schweigen. Und dann ein definitiv frostiges: »Oh.«
KAPITEL 4
Tim konnte Cassie gut leiden, während George eher ein anerzogener Geschmack war - eine menschliche Olive sozusagen -, aber immerhin. Er hatte sich vom ersten Tag an Mühe mit George gegeben, als der sich bei seinem ersten Besuch in unserem Haus auf meinem Ausziehtisch von Habitat niederließ und ihn zerbrach. Es war ein richtiges Spektakel - zersplittertes Holz, verbogenes Metall, George, der auf dem Boden lag und seinen praktisch halbierten großen Zehennagel hielt. George weinte fast vor Schmerz und vor Verlegenheit (Cassie lachte, aber das war nur gespielt), und ich wusste nicht, was ich sagen sollte, um die Situation zu retten.
Dann meinte Tim bewundernd: »Nicht mal Jackie Chan könnte mit seinem Hintern einen Tisch zerschmettern.«
Und dann lachten wir wirklich - wenn auch eher erleichtert als amüsiert. Wenn Tim wollte, schaffte er es, dass sich die Menschen wohlfühlten, selbst wenn sie es nicht verdient hatten. Mir stieß immer noch auf, dass George seinen Hintern überhaupt auf meinen Tisch platziert hatte - was waren das für Manieren? -, und obwohl Cassie uns einen Scheck ausstellte, stieß ihr das, glaube ich, ebenfalls auf. Cassie war charmant, das habe ich schon gesagt, aber ihr Charme beruhte zu einem großen Teil darauf, dass alles nach ihrem Willen ging. Auf unerwartete Ereignisse reagierte sie eher ungnädig.
Trotzdem war eine der ersten Bemerkungen, die sie an jenem
Abend Tim gegenüber machte: »Weißt du eigentlich, dass Liz bisher noch jeden ihrer Freunde betrogen hat?« Es war also nicht so, als könnte sie keine Schadenfreude angesichts einer peinlichen Situation empfinden. Der Unterschied war, dass Cassie es vorzog, peinliche Situationen herbeizuführen. Dann konnte sie die Lage mit der Souveränität und Publikumswirksamkeit eines Kunstflugpiloten bereinigen. Damals allerdings war ich nicht in der Lage, sie dafür zu bewundern, wie ungeheuer geschickt sie das machte. Ich erstarrte zur Salzsäule und hätte um ein Haar den Stiel meines Rotweinglases abgeknickt. Mir war übel und heiß, und ich musste, den Blick in mein Rotweinglas gesenkt, daran denken, wie Cassie mich einmal zum Essen eingeladen hatte und ich, um den anderen Gästen zu demonstrieren, wie nahe wir uns standen, ganz beiläufig meine Flasche Syrah in ihren Kühlschrank gestellt hatte. Cassie hatte sie lächelnd wieder herausgenommen. Ihre Gäste hatten betreten zu Boden gesehen und meinen Blick gemieden. Ehrlich, es war, als hätte ich mein Baby in den Kühlschrank gelegt.
Mit ihrer Bemerkung übers Fremdgehen wollte Cassie feststellen, ob Tim den Fehdehandschuh aufnehmen würde, den sie ihm hingeworfen hatte - und wahrscheinlich war auch ein kleiner Flirt dabei. Wer kühne, angreifbare Behauptungen aufstellte, zog die Aufmerksamkeit auf sich. Es war das verbale Äquivalent zu einem tief ausgeschnittenen Top.
Tim lachte nur und sagte: »Ach, ich werde sie schon zähmen. Ka-tsching! «, wobei er eine imaginäre Peitsche schnalzen ließ.
Cassie zündete sich lächelnd eine Zigarette an. Nervös verputzte ich eine ganze Schüssel Chili-Erdnüsse, die absolut grässlich schmeckten: genau deswegen hatte ich sie gekauft - damit ich auf gar keinen Fall in Versuchung geraten würde, sie zu essen. Tim kümmerte sich um die Pasta, und ich sah
Cassie finster an. »Vielen Dank dafür«, zischte ich. In diesem Augenblick sah ich in ihr wieder das niedliche kleine Mädchen mit dem Teufel im Leib die Haare zu süßen kleinen Zöpfchen geflochten (die sie sich später bis auf die Stoppeln abgeschnitten hatte, nachdem ich ihr die Schere in die Hand gedrückt hatte).
»Komm schon, Lizbet, der Mann ist dir absolut verfallen. Er betet deinen Körper mit Blicken an.«
Ich pfffte (ich wollte diesen Ausdruck schon immer mal verwenden; was für ein tolles Wort!), aber schon löste sich mein Zorn auf wie Luftblasen im Wasser, und ich war ihr dankbar. Er betete meinen Körper an!
»Tut er gar nicht!«, murmelte ich, aber sie zwinkerte verschwörerisch, und ich wurde rot. Tim betete mich wirklich an, und Cassie wollte nur sichergehen, dass dem so war. Vor der ersten Begegnung der beiden war ich ziemlich nervös gewesen.
Ich hatte sie
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