Meine Schwester und andere Katastrophen
Supermarkttüten, um meine Füße darin zu versenken. Das Arrangement war nicht wirklich elegant, und die Tüten raschelten bei jeder kleinen Bewegung, aber ich war wirklich äußerst ungern in Socken. Ehrlich gesagt hätte ich am liebsten in Schuhen geschlafen.
Ich lehnte mich grinsend zurück und wartete auf die Glückwünsche. Ich konnte nicht anders. In der Sekunde, in der ich gesehen hatte, wie die kleine Bohne in meinem Bauch herumschwamm, war ich ein anderer Mensch geworden. Ich meine, da war ein anderer Mensch - ein neuer Mensch! Wenn das kein Wendepunkt im Leben ist, was denn dann? Ich hatte dieses phantastische Geheimnis: Ich war nie mehr allein. Ich redete mit dem Baby, manchmal leise, manchmal laut. Sie - ich spürte ganz deutlich, dass es eine Sie war - hörte alles, verstand mich und war immer meiner Meinung.
»Und wohin fahren wir?«, fragte Cassie.
Ich hörte ihren dumpfen, flachen Tonfall und fühlte mich, als wäre ein Stein in meine Magengrube geplumpst. Die ganze Familie hatte Todesangst vor Cassies Launen. Bei manchen Menschen kann man über die Schmollphasen hinwegsegeln, bis sie sich so langweilen, dass sie sich dämlich vorkommen, und versuchen, wieder gut Wetter zu machen. Wenn Cassie entschlossen war, in einen stillen Groll zu fallen, war das so, als hätte sich Sibirien ins Zimmer geschlichen und peitschte dich mit Eiswinden. Alle empfanden eisige Angst. Niemand wagte zu sprechen und niemand rührte sich, und jeder spürte das Herz in der Brust hämmern.
Aber nicht an diesem Abend.
Niedergestochen zu werden fühlt sich an wie ein dumpfer
Schlag, das weiß ich seither. Du spürst nicht, wie das Messer eindringt, du ahnst den Schmerz nur. Dann siehst du das Blut, und erst da begreifst du, wie schwer die Verletzung ist. Ich brauchte mehrere Minuten, um zu erkennen: Sie hatte genug Zeit, um sich an das Baby zu gewöhnen, und sie freut sich nicht für mich.
Ich empfand keine eisige Angst, sondern vor allem Verwirrung und gleich darauf etwas ganz anderes.
»Na gut«, sagte ich. »Ich kann keine gewürzten Sachen essen. Thai kommt nicht in Frage, denn da würde ich unbedingt Pad Thai essen wollen, und da sind Erdnüsse drin - ich will auf keinen Fall riskieren, dass das Baby eine Erdnussallergie kriegt. Und Fleisch kann ich selbstverständlich auch keines essen, weil man nie weiß, ob es wirklich durchgebraten ist. Toxoplasmose. Wir könnten zum Pizza-Express fahren, aber die Fiorentina kann ich nicht nehmen - ich darf keine weich gekochten Eier essen -, also kommt das auch nicht in Frage. Ich nehme an, ich könnte die Quadro-, die Quarto-, die mit den vier Käsen nehmen. Allerdings müsste ich dann fragen, ob auch kein Rohmilchkäse dabei ist.«
Ich hörte meine Stimme und die neue Entschlossenheit darin und dachte bei mir, sieh mal an, plötzlich bist du die Kapriziöse. Dann sah ich Cassie an. Ihr Gesicht war wie Feuerstein, und ich merkte, wie mich die Feigheit erfasste. Ich bin super darin, im Supermarkt Rabatz zu machen, weil keine Hühnerbrüste mehr da sind, oder mich mit Barclaycard anzulegen, weil sie mir zwanzig Pfund für einen Brief berechnen wollen, aber ich würde mir lieber den Zeh abhacken, als einen Streit mit meiner Schwester anzuzetteln.
»Fahren wir ins Bella Italia«, zirpte ich.
Als wir dort angekommen waren, war es, als versuchte ich, mit einem Trappistenmönch zu plaudern.
»Ich glaube, ich nehme Spaghetti mit Tomatensoße.« Ich spielte noch mit dem Gedanken anzufügen: »Obwohl Nudeln nichts als Mehl und Wasser sind, leere Kalorien, wie George mich mal belehrt hat. Idealerweise würde ich eine Kartoffel vorziehen, du weißt schon, etwas Nahrhaftes für das Baby.« Aber ich hatte das eigenartige Gefühl, dass sie dann möglicherweise aus ihrem Stuhl aufgesprungen wäre und mir eine Ohrfeige verpasst hätte. Weshalb ich schwieg.
»Und was nimmst du?«, fragte ich dann.
Sie zuckte mit den Achseln. »Ist nicht so mein Ding.«
»Was?«, meinte ich kühl. » Pasta? « War das nicht fast so, als hätte sie gesagt: » Essen ist nicht so mein Ding«?
»Ja«, erwiderte sie genauso kühl. »Pasta ist nicht so mein Ding. Nudeln sind nichts als Mehl und Wasser. Leere Kalorien.«
Ich starrte sie an. Vielleicht war sie auch schwanger! Das würde ihre Verstimmung erklären. Sie stand lieber allein im Rampenlicht. (Einmal hatte ich ihr ein Foto aus der Zeitung gezeigt, auf dem zwei Mädchen aus unserer früheren Schule zu sehen waren. Sie waren Zwillinge und heirateten
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