Meine Schwester und andere Katastrophen
nicht, wie du darauf kommst«, sagte ich. »Vielleicht könnten wir aufhören, über mein Privatleben zu spekulieren, und uns an die Arbeit machen. Ich finde, dass mein Mandant unter den gegebenen Umständen sehr großzügig war. Wenn man bedenkt, dass Mrs Fitzgerald nie gearbeitet hat -«
Barnaby lachte. »Cass, hör auf mit dem Scheiß. Sie zieht ganz allein seine drei Kinder groß. Er war nie zu Hause. Und sie hatte nicht genug Geld, sie betreuen zu lassen. Weil er kein Geld dafür ausgeben wollte. Im Gegenteil, sie musste jeden Penny, den sie ausgab, mit Quittungen belegen. Hubert war ein absoluter Knicker, und ich würde auf keinen Fall sagen, dass Alissa nie gearbeitet hat.« Er nickte zu meinem Bauch hin. »Warte ab, bald wirst du genau wissen, wie schwer sie gearbeitet hat.«
Ich öffnete den Mund, aber bevor ich etwas erwidern konnte, verdrehte er die Augen.
»Vergiss es, Cass, gib mir was, mit dem ich arbeiten kann. Eine Einigung liegt vor allem im Interesse deines Mandanten. Alissa freut sich schon auf die Verhandlung, sie ist scharf wie Senf darauf. Bis jetzt hat er sie ausschließlich belogen, bis sie beinahe überzeugt war, dass sie verrückt wird. Sie kann es kaum erwarten, dass er ins Kreuzverhör genommen wird, denn nur dann wird sie die Wahrheit erfahren. Und Hubert wird bestimmt nicht im Zeugenstand sitzen wollen, wenn ich anfange -«
»Mach mal psst«, sagte ich.
»Psst?«, fragte Barnaby. »Du kannst mir nicht befehlen, ›psst‹ zu machen!«
Ich musste nachdenken. Ich stellte mir vor, wie Alissa ihre Babys großzog, und spürte einen schmerzhaften Stich. Obwohl sie schon über vierzig war, hatte sie die Ausstrahlung eines linkischen Teenagers. Sie hatte dunkles, glänzendes Haar, ein schüchternes Lächeln und wusste nicht, was sie mit ihren Händen anfangen sollte. So wie ich es sah, war sie bestimmt nicht selbst auf die Idee gekommen, den Inhalt von Huberts Aktenschrank in einen schwarzen Müllsack zu leeren. Die arme Frau. Meiner Erfahrung nach beenden Frauen eine Ehe, weil sie nicht mehr können. Männer beenden eine Ehe, weil sie jemand anderen gefunden haben. Ich habe praktisch noch keinen Ehemann ohne eine neue Partnerin in einem Scheidungsverfahren vertreten. Was kein Trost für Alissa war. Ich war froh, dass sie sich von Barnaby vertreten ließ - mein Gott, was war mit mir los? Buh, pfeif, Alissa!
Aber objektiv betrachtet war mein Mandant ein verlogener, erpresserischer Betrüger, und wenn er seiner treuen Frau, der Mutter seiner Kinder, (noch) nicht rechtlich einen anständigen Lebensstandard schuldig war, so war er ihr ihn doch moralisch schuldig . Schließlich hatten Alissa und Hubert gleich viel zum Familienleben beigetragen - Hubert, indem er das Geld verdient hatte, Alissa, indem sie die Kinder erzogen hatte. Sein Geld gehörte nicht ihm, es gehörte beiden. Ich war sicher, dass die Richterin, sollte es zur Verhandlung kommen, ihr mindestens die Hälfte seines Besitzes zusprechen würde - wenn nicht mehr. (Ich fragte mich, auf welchen Anteil meines Besitzes George Anspruch zu haben glaubte.) Aber auch wenn ich der gleichen Meinung war, so war es doch meine Pflicht als Huberts Anwältin, dies zu verhindern.
Ich sah Barnaby an, der, auch wenn ich nicht sicher sein konnte, irgendwie aufgewühlt wirkte. »Also, Cass«, sagte er, »Hubert behauptet, er könne Alissa nicht mehr als die Quadratwurzel von gar nichts zukommen lassen, obwohl er letztes Jahr in zahllosen Edelrestaurants seine Kreditkarte zum Glühen gebracht hat. Seine Konten quellen über, und das Geld kommt nirgendwo her und fließt nirgendwo hin. Ich erwarte mit Interesse seine zukünftigen Erklärungen.«
»Barnaby«, sagte ich. »Hubert wird sich keinen Millimeter vom Fleck rühren.«
Barnaby zuckte mit den Achseln. »Wunderbar. Dann warten wir die Verhandlung ab. Und er kann meine gesamten Ausgaben übernehmen! Ich kann morgen das Fahrrad zu Hause lassen und komme mit dem Privatjet!«
Er hielt sich für so toll. Barnaby hatte etwas Arschlochhaftes, das daher rührte, dass er seit zehn Jahren jeden Abend nach Hause kam und wusste, dass er wieder mal recht gehabt hatte, weil der Richter ihm zugestimmt hatte, oder dass er recht gehabt hatte und der Richter ein dummer Idiot war.
»Nicht unbedingt«, sagte ich. »In der Mülltonne gewühlt? Alissa tritt nicht gerade mit weißer Weste vor den Richterstuhl.«
Barnaby schnaubte. Seine Freundlichkeit hatte sich in Luft aufgelöst. »Sie hat keineswegs in der
Weitere Kostenlose Bücher