Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
schätzen, wenn ihr der gedeckte Tisch entgegenlacht. Dann übernimmt sie,
während ich mit den Kindern Puzzles lege (genauer: Ich puzzle mit Lilli und verhindere, dass Beatrice die einzelnen Teile
in den Kamin oder aus dem Fenster schmeißt). Um 20 Uhr sind die Gäste da, um 22 Uhr sehe ich alles nur noch verschwommen, was aber eher an der Anstrengung liegt, den Gesprächen zu folgen, als am übermäßigen
Genuss vom Alkohol. Außerdem höre ich so ein leichtes Klingeln in den Ohren. Dann, wie bereits erwähnt, bekomme ich die zweite
Luft und fange an zu plaudern. Eine meiner Töchter schläft in meinen Armen, während ich auf und ab laufe und über die deutschsprachige
Literatur des frühen 20. Jahrhunderts schwadroniere. Nicht, dass das mein Spezialgebiet wäre, aber ausgerechnet im Friaul scheint jeder, wirklich jeder
Rainer Maria Rilke zu kennen, der sich ja auch lange in der Nähe von Grado herumgetrieben und beispielsweise die ›Duineser
Elegien‹ geschrieben hat. Ich habe schon mindestens drei Ausgaben der Elegien bei mir im Regal stehen, die für mich zu Weihnachten
das sind, was für andere Familienväter die Krawatten. Ich wünschte, ich könnte ehrlich sagen, dass mir Poesie gefällt, aber
ich bringe es nicht übers Herz.
Am nächsten Morgen wache ich mit üblen Kopfschmerzen auf, und die kommen sicher nicht davon, dass ich mich auf die Gespräche
konzentrieren musste.
|122| Warum ich nicht mehr die Grünen wähle
Na ja, ich habe sie eigentlich noch nie gewählt, aber dennoch immer mit ihnen sympathisiert. Wie könnte es auch anders sein?
Die Grünen, die muss man doch einfach gern haben. Die Grünen doof zu finden, wäre wie Knut und Flocke doof zu finden. Auch
wenn die Partei, erzählte mir ein befreundeter Autojournalist, so sei wie der Subaru Forrester – mit einer einzigen guten
Idee 25 Jahre lang vorn. Der Subaru Forrester hatte als erster Serienwagen permanenten Allradantrieb und ist daher bis heute das Lieblingsauto
aller Förster. Der Allradantrieb der Grünen ist der Umweltschutz.
Nun geschah es Anfang März 2008 in Bayern, dass die Kommunalwahlen anstanden. Dabei erlitt die CSU herbe Verluste – Verluste, die sie insgesamt immer noch bei satten Mehrheiten stehen ließen, aber die CSU, verwöhnt von zwei Dritteln der
Wählerstimmen, war ein wenig pikiert. Günther Beckstein und Erwin Huber glaubten nun, ausgerechnet das Rauchverbot in Bierzelten
sei der Grund für den Wählerschwund gewesen. Schnell überlegte man, eine Ausnahmeregelung fürs Oktoberfest und sonstige Bierzelte |123| einzuführen, um Wählerstimmen für die Landtagswahl im September 2008 zurückzugewinnen (bei Erscheinen des Buches können Sie
beurteilen, ob es geglückt ist). Das war nun ein echtes genschermäßiges Umfallen, und die bayerische Grünen-Vorsitzende Theresa
Schopper spottete: »Preußisches Gesetz, italienische Umsetzung.«
Dass nun ausgerechnet eine Politikerin jener Partei in so doofen nationalen Klischees rumrührt, ist ja schon ärgerlich genug
– wenn hier einer mit Klischees jonglieren darf, dann bin gefälligst ich das. Ausgerechnet aber beim Rauchverbot hinkt der
Vergleich übelst, was Volkskundlerin Schopper gar nicht bewusst ist: Das Rauchverbot wurde in Italien ohne großes Lamentieren
eingeführt (übrigens von Silvio Berlusconi) und funktioniert prima. Alle beachteten es von Tag eins an, auch die größten Schlawiner.
Was soll die Aufregung? sagen sich die Italiener. Wenn sie rauchen wollen, gehen sie vor die Tür. Ende. Und weiter mit wichtigeren
Dingen des Lebens.
Ich kann mich noch gut dran erinnern, dass in den ARD›Tagesthemen‹ Italien am Tag eins des Rauchverbots gezeigt wurde. Es
war der 10. Januar 2005. Das Kamerateam war in der Innenstadt Roms unterwegs, um Szenen von Chaos, Ärger und Gesetzesbruch einzufangen. Und was bekamen
die wackeren Reporter vor die Kamera? Ausschließlich gutgelaunte Menschen, die in Trauben vor den Bars standen und rauchten
und sich freuten. Bis heute habe ich nie ein einziges böses Wort über das Rauchverbot gehört. Warum auch? Die Italiener sehen
das Positive – man vertritt sich die Beine, man kommt wunderbar ins Gespräch, und es ist so herrlich leicht, da draußen zu
flirten. Die Luft in der Bar und im Restaurant ist sodann für |124| alle besser. Wäre ich noch Raucher, ich wünschte mir dringend ein Rauchverbot und gäbe dann all den schönen Raucherinnen vor
der
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