Meine Schwiegermutter ist cooler als deine
nördlich
der Alpen viel nachzuholen gibt und Jamie Oliver wie Tim Mälzer Superstars sind. Interessanterweise war ja auch die spanische
Küche nie so richtig erste Sahne, daher wird der Katalane Ferran Adrià neuerdings auf eine Stufe mit Literaturnobelpreisträgern
gestellt, weil er tolle Sachen wie Oktopusluft erfunden hat. Ja, ehrlich: Sie bekommen in seinem Restaurant in Barcelona einen
mit Alufolie überzogenen Teller. Dort stechen Sie dann Löcher rein und atmen die Oktopusluft ein. Das war’s, nächster Gang.
Jedenfalls: Jeder Deutsche fängt plötzlich an, mit Töpfen und Pfannen zu hantieren, auch jene Deutschen, die früher das einzige
Gericht, das sie konnten – Rührei –, direkt aus der Pfanne gelöffelt haben. Ich möchte hier keine Namen |119| nennen, weiß aber von zweien solcher Fälle aus meinem engsten Freundeskreis.
In Italien (oder in Frankreich) sind die Verhältnisse schon zurechtgerückt. Ein Koch ist ein Koch, basta. Sich in Italien
mit seinen Kochkünsten zu brüsten, wäre so, als prahlte man mit seiner Fähigkeit, einen Fahrradreifen aufpumpen zu können.
Kochen ist eine Selbstverständlichkeit und muss nicht, wie in Deutschland, zelebriert werden. Hier in Italien sind keine Innenarchitekten
notwendig, die »Wohnküchen« und »Kochinseln« kreieren, um die im Werbeprospekt die Generationen friedlich herumscharwenzeln.
So, wie sich jeder Italiener für einen guten Sänger hält (leider auch meine Frau), hält sich auch jeder für einen guten Koch.
Letzteres trifft wenigstens weitgehend zu (auch bei meiner Frau. Kurve gekriegt).
Jedenfalls sind Einladungen zum Essen sehr häufig mit sehr viel Lärm verbunden. Stiller Genuss ist was anderes, und je lauter
es ist, desto mehr esse und trinke ich. Ist dieser Zusammenhang schon mal wissenschaftlich untersucht worden? Irgendwann einmal
werde ich sehr müde, weil es irre anstrengend ist, mehrere Stunden lang einer wild galoppierenden Konversation in einer Fremdsprache
zu folgen, die auch noch ganz anders klingt als in meinem Italienischkurs, den ich einst in Braunschweig besucht hatte. Doch
kurz vor dem Ende bekomme ich eine zweite Luft, nehme noch ein Glas Rotwein und noch eines und stütze mich dann am Kinderwagen
ab, wenn es gegen Mitternacht heimgeht.
Wir kochten einst selten für Freunde, und das war gut so. Für Freunde kochen, dieser deutsche Megatrend der letzten Jahre,
bedeutet nämlich, einen faulen Kompromiss |120| einzugehen. Wer für Freunde kocht, wird nur eines gut können: kochen oder sich um die Freunde kümmern. In einer Trattoria
muss niemand alle fünf Minuten hektisch aufspringen und zum Ofen rennen. Niemand muss an den Abwasch denken. Wir kochten einst
selten für Freunde – aber in letzter Zeit scheint es immer häufiger stattzufinden, weil wir gerade in eine neue Wohnung umgezogen
sind, die vom Wohnzimmer aus einen sehr schönen Ausblick auf die Lagune von Grado bietet. In Grado hat fast jede Wohnung entweder
Lagunen-, Hafen- oder Meerblick, das bringt die Geografie der Insel mit sich, aber unser Lagunenblick scheint doch etwas Besonderes
zu sein. Oder ist es am Ende unser Essen?
Wenn sich mal wieder vier bis acht Leute angesagt haben, dann legt als Erste Minnie los, die von unserem auszurichtenden Abendessen
immer schon ein paar Stunden vor mir weiß. Sie geht vormittags in die drei Gradeser Supermärkte, weil der eine besseres Obst
hat als der andere und der nächste wiederum das bessere Fleisch und der letzte diese leckeren verpackten Pralinen – aber vielleicht
muss ja auch nur die Zeit totgeschlagen werden, wenn die Kleinen im Kindergarten sind und nicht in allerlei rosa Zeug eingekleidet
werden können. Mit zwei, drei Handgriffen kocht sie uns mittags zwei Gänge und lässt sie mich am frühen Nachmittag in Tupperware
abholen. Ich bekomme präzise Kochanweisungen, die ich auf dem Heimweg (180 Meter) wieder vergesse. Dann gehe ich noch mal los und schleppe zwölf Zweiliterflaschen Wasser heim, weil Italiener im Gegensatz
zu mir den Wasserhahn verachten. Und dann decke ich den Tisch. Das ist eine Aufgabe, die ich sehr gewissenhaft erledige, und
bisher hat auch nie was gefehlt.
|121| Die Kleinen kommen gegen 16 Uhr aus dem Kindergarten, Laura kommt gegen 18 Uhr aus der Arbeit. Ich bin ja die ganze Zeit daheim, weil ich das, was ich Arbeit nenne, mit dem Laptop auf meinen Oberschenkeln
erledige. Da kann sich Laura schon sehr glücklich
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