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Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Meine Schwiegermutter trinkt - Roman

Titel: Meine Schwiegermutter trinkt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diego de Silva
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hatte dich gar nicht gesehen.«
    »Ach, hör schon auf.«
    »Nein wirklich. ›Ist das nicht Malinconico?‹, haben sie gesagt.«
    »Verrückt, wenn man’s bedenkt.«
    »Warum?«
    »Ich bin nicht gerade ein Staranwalt, Irene. Komisch, wenn ich es durch diese Geschichte am Ende vielleicht noch werden sollte.«
    Die Antwort ist eine spontane Eingebung, die mir ohne groß darüber nachzudenken über die Lippen gekommen ist. Irgendwas muss da im Busch sein, wenn diese Frau es schafft, dass ich ehrlich werde, nur weil sie mir gegenübersitzt.
    Im Krankenhaus war das genauso.
    »Stimmt allerdings«, kommentiert Irene traurig, als ob ihr meine Bemerkung etwas in schmerzhafte Erinnerung gebracht hätte, was sie partout hatte vergessen wollen.
    »Hey«, sage ich zu ihr und greife nach ihrer Hand. »Hey.«
    »Es war alles falsch, einfach alles. Von Anfang an«, murmelt sie vor sich hin.
    Vorsichtig strecke ich die andere Hand aus und versuche ihr übers Gesicht zu streicheln.
    Sie kneift die Augen zusammen, als müsste sie gegen eine Träne ankämpfen, beißt sich auf die Lippe und lächelt mich an. Ihr Bedürfnis, mich zu beruhigen, berührt mich an einem Punkt, an dem ich lieber nicht hätte berührt werden wollen.
    »Mach dir keine Sorgen, es ist nichts.«
    »Hör mal, es tut mir leid, ich dachte nicht …«
    Sie reibt ihre Wange gegen meine Hand und drückt mir die andere.
    »Schon gut. Wirklich. Es ist vorbei.«
    Ich schaue sie an, als sollte sie mir erklären, warum wir hier sind und warum wir tun, was wir gerade tun.
    Scheiße, ich sollte das Thema wechseln, und zwar schleunigst.
    Mich der Intimität entziehen, die sich gerade zwischen uns einstellt.
    Das Gespräch auf belanglose Themen lenken, damit diese Begegnung möglichst schnell zu einem Ende kommt, und meinen Arsch hier rausbewegen, ehe es zu spät ist. Stattdessen endet alles damit, dass ich wieder meiner atavistischen Tendenz nachgebe, mir das Leben zu ruinieren.
    »Weißt du, an wen du mich erinnerst?«, frage ich sie unvermittelt.
    Sie verdreht ihre Augen zum Himmel, als hätte sie das schon tausendmal gehört.
    »An Cameron Diaz.«
    »Falsch. An einen alten Song von den Dik Dik.«
    »Was?«, fragt sie verblüfft zurück.
    » L’isola di Wight. Kennst du den?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    »Vor allem eine Strophe. Willst du sie hören?«
    Sie lächelt.
    »Heißt das, du willst sie mir vorsingen?«
    »Was denn sonst, sollte ich sie rezitieren? Songs sind doch keine Gedichte.«
    »Stimmt. Also los.«
    Sie wendet mir neugierig ihr Ohr zu, während ich mich vorbeuge und nach kurzem Räuspern anstimme:
    Ohne Gepäck, an einem Donnerstag
    Haben du und ich den Aufbruch gewagt
    In unseren Augen lag ein Ja
    Hier halte ich kurz inne (sowohl weil das Stück es verlangt, als auch, weil ich ihre Reaktion überprüfen will).
    Sie hält die Augen geschlossen. Möglicherweise eine Art, sich zu konzentrieren. Also fahre ich fort und komme zu der Stelle, die sie meines Erachtens am meisten betreffen sollte:
    Um uns regnet’s bunte Falter
    Deine Jugend gabst du mir
    Ich war nicht mehr aufzuhalten
    Ich lehne mich zurück und erkläre die Vorführung für beendet.
    Sie wartet noch ein paar Momente ab, bis sie die Augen öffnet.
    Und als es so weit ist, wirkt sie verstimmt.
    »Lassen wir das, Vincenzo«, sagt sie, ohne mich anzuschauen.
    »Entschuldige, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen.«
    »Du hast nichts kapiert. Hör einfach auf!«
    »Warum?«
    »Weil wir sonst weitermachen.«
    »Ah.«
    »Solange er in diesem Zustand ist, bringe ich das nicht fertig«, stottert sie. »Ich kann nicht, ich … ich bin bescheuert, bitte verzeih mir, verzeih mir, verzeih.«
    Sie fängt an zu weinen. Sie schlägt sich eine Hand vor den Mund.
    Ich schaue mich nervös um, weil ich jetzt ungern Zeugen hätte (in dieser ganz speziellen Situation bin ich heilfroh über das Schummerlicht), stehe auf, ziehe den Stuhl mit und setze mich neben sie.
    »Oh«, sage ich und streichle ihr über den Kopf, »das macht doch nichts, ist doch nichts passiert. Zurück auf Null, ja? Ich bin selber gefühlsmäßig gerade ziemlich aufgelöst und …«
    Ich würde den Satz ja beenden, komme aber nicht dazu, weil sie wie eine Kobra vorschnellt und mein Gesicht in beide Hände nimmt.
    Sie zieht mich zu sich heran und verwickelt mich in einen verzweifelten, gierigen Kuss.
    Als wir fertig sind, stößt sie mich weg.
    Verblüfft und fast ein wenig enthusiastisch bleibe ich sitzen, indes Verrückt-nach-Mary

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