Meine Seele weiß von dir
Rick?“
Er fängt an zu weinen. Seine breiten Schultern zucken unkontrolliert.
„Rick!“ Ungeduldig rüttele ich an seinem Arm. „Was ist passiert? Sag schon! Ist was mit Monika?“
„Nein, nein. Mit ihr ist alles okay.“
Den nächsten Satz formuliere ich mit steifen Lippen. „Und das Baby?“
„Sarah-Jane. Sie heißt Sarah-Jane. Ach, Sina - sie ist wunderschön.“ Er fährt sich mit dem Handrücken über die Augen, grinst schief. „Als Monika im Kreißsaal lag, da hat es bei mir plötzlich Klick gemacht . Und zwar dermaßen heftig , dass ich es förmlich hören konnte. Ich dachte, jeder im Raum müsste es ebenfalls gehört haben.“
Rick lacht verlegen. „Zwischen den Wehen haben wir uns unterhalten. Moni und ich. Zur Ablenkung, verstehst du? Ich glaube, so viel haben wir in all der Zeit nicht miteinander geredet. Vor allem nicht so intensiv. Und offen.“
Er spricht leiser. „ Es gibt Gespräche, die sind schmerzhaft. Andere sind absolut ... nun, erstaunlich. Dieses war beides. Es brachte mich Wort für Wort ein bisschen weiter voran und ich begriff, dass jeder neue Tag voller neuer Möglichkeiten steckt. Sina.“ Er streckt eine Hand aus und legt sie an meine Wange. Seine Finger sind heiß und feucht von Schweiß. „Ich habe gemerkt, dass ich mich in der letzten Nacht in Monika verliebt habe. Ernsthaft und rettungslos. Und, Sina ...“ Jetzt ist er kaum noch zu verstehen. „Ich will diese Chance nutzen.“
Ich lege meine Hand auf seine, schaue ihm in die Augen. „Das ist wunderbar“, flüstere ich voller Zuneigung. Und ich meine es auch so.
„Als ich meine Tochter zum ersten Mal sah, da war ich ganz und gar fasziniert von ihr. Sie ist winzig. Und schutzlos. Und doch so quicklebendig. Sie kennt noch keine Ängste, Sorgen oder Verzweiflung. Ich will bei ihr sein, damit das möglichst lange so bleibt, und für sie da sein, wenn es mal anders kommen wird.“ Er macht eine bedeutungsvolle Pause. „Zusammen mit ihrer Mutter“, sagt er dann und nimmt seine Hand fort.
„Glaubst du, dass eine gescheiterte Ehe, wenn man ihr eine ehrliche zweite Chance gibt, wirklich noch mal funktionieren kann?“, frage ich voller Hoffnung.
„ Vielleicht ja, vielleicht nein .“ Nachdenklich kaut er auf seiner Unterlippe. „Aber ich weiß, dass ich mir den Rest meines Lebens genau diese Frage stellen würde, wenn ich es nicht versucht hätte.“
Nachdem Rick gefahren ist, räume ich die Einkäufe aus. Als ich damit fertig bin, arbeite ich an dem halbrunden Arbeitstisch in meinem Atelier, nur damit mein Kopf und meine Hände etwas zu tun haben. Nach nicht mal einer Stunde wird mit klar, wie wenig hilfreich das ist. Und doch halte ich daran fest.
Abends gehe ich hinunter in die Küche, um mir etwas zu essen zu machen.
Lustlos stelle ich die gusseiserne Pfanne auf den Herd und erhitze Olivenöl. Dann dünste ich Schalotten und Knoblauch an und gebe ein paar Spalten Limetten hinein. Kochen und das anschließende Essen haben stets eine beruhigende Wirkung auf mich.
Auch jetzt ist es nicht anders. Sobald die Limetten weich sind, werfe ich ein halbes Dutzend Gambas in die Pfanne und brate sie von beiden Seiten an, bevor ich sie mit einem trockenen Weißwein ablösche und den Sud mit Salz und Cayennepfeffer abschmecke. Dazu gibt es Tagliatelle.
Ich trage alles ins Wohnzimmer. Es ist kurz nach acht. Ich esse und überlege, womit ich den Rest des Abends ausfüllen könnte.
Obwohl Leander aus unserem Zuhause ausgezogen ist und ich allein bin, fühle ich mich hier nicht einsam, sondern im Gegenteil tief verwachsen und geborgener als irgendwo anders auf der Welt. Schließlich ist das der Ort, an dem Leander und ich zusammen glücklich waren.
Das Gefühl der Heimeligkeit ändert jedoch nichts daran, dass sich die Stunden endlos ziehen. Ich möchte Ute nicht schon wieder behelligen, und Lisa ist noch unterwegs.
Früher haben Leander und ich um diese Zeit gemeinsam zu Abend gegessen. Wir haben uns unterhalten und anschließend auf dem Sofa gekuschelt, bevor er ins Studio fuhr. Manchmal haben wir uns auch geliebt, eilig, weil er fort musste, und deshalb umso intensiver.
Es ist nicht die Gamba, d ie mir als Knoten im Hals steckt, ein Knoten, den es hinunterzuwürgen gilt.
Ich vermisse Leander zu sehr.
Schnell greife ich nach der Fernbedienung und schalte den Fernseher ein. Ich zappe durch sämtliche Programme, bleibe aber überall nur für wenige Minuten hängen, denn da ist absolut nichts, was mich
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