Meine Seele weiß von dir
sind zu winzigen Fäusten geballt, die rechts und links neben dem Köpfchen liegen, und die hellrosa Lippen stehen einen klitzekleinen Spalt auf, durch den das Kind leise atmet.
Monika lächelt mir zu. Sie legt einen Zeigefinger auf ihre Lippen. Dann winkt sie mir, noch näher zu kommen.
So leise ich kann, trete ich zu ihr. Ich setze mich neben sie auf das Bett und mein Herz verkrampft sich.
„Was für ein niedliches Mädchen“, sage ich schließlich gedämpft. Meine Stimme klingt gepresst. Das kommt von den Tränen, an denen ich schlucke.
Monika beugt sich über das Baby. Wohl i n dem Wissen, dass ich an Krümel denke, greift sie stumm nach meiner Hand. Und in diesem Augenblick fühle ich plötzlich, was Rick empfunden haben muss.
„Sie ist ... sie ist einfach vollkommen“, flüstere ich kaum hörbar. „Und so unglaublich klein. Sieh nur: ihre Nase, die Ohren. Und ihre Haut ist so durchscheinend, dass man die Äderchen darunter sehen kann.“
Meine Stimme bricht. Ich frage mich, wie das Gesicht meines Kindes wohl ausgesehen hätte.
Lange sitzen wir da, die Hände ineinander verschlungen, und sprechen kein Wort. Ich spüre nach wie vor den Schmerz, der nur allmählich verebbt. Monikas Griff wird fester. „Geht es wieder?“, fragt sie zaghaft.
Ich nicke mit dem Kopf und löse mich sanft von ihr. Leise stehe ich auf und werfe noch einen letzten Blick auf das schlafende Kind. „Ich glaube, ich möchte jetzt für mich sein.“
Sie versucht nicht, mich zum Bleiben zu überreden. Als ich die Zimmertür hinter mir schließe und mich umdrehe, steht Leander vor mir.
Er hält ein in farbenfrohes Papier gewickeltes Päckchen in den Händen und verharrt reglos, keinen halben Meter von mir entfernt. Seine Miene zeigt nicht mehr Regung als die getünchte Wand hinter ihm und auch seine klaren, grünen Augen sind völlig ausdruckslos. Ich kann nicht erraten, was in ihm vorgeht.
Er sagt nichts, nickt mir aber zu und streckt mir dann widerstrebend eine Hand entgegen.
Es dauert einige Sekunden, ehe ich den Mut aufbringe, sie zu ergreifen. Anders als Monikas liegt seine Hand hart und kühl in meiner und ich schüttele sie stumm.
Leander lässt mich los und tritt einen Schritt zurück. In dem Augenblick, in dem er den Körperkontakt abbricht, packt mich das tiefe Verlangen, ihn zu berühren, durch sein Haar zu fahren, sein Gesicht zu meinem herabzuziehen und meine Lippen auf seine zu legen.
Selbstverständlich tue ich nichts von alledem.
„Du bist schon aus Berlin zurück?“, frage ich.
Wenn er überrascht ist, dass ich über seine Reise im Bilde bin, zeigt er es nicht.
Seine Stimme klingt ruhig und kontrolliert, als er mir antwortet. „Ja. Ich musste nicht bis zum Ende bleiben.“
„Aha. Fein ... Ich habe übrigens Post von deinem Anwalt bekommen, Leander.“
„Spielt keine Rolle.“
„Warum sagt du das?“
Sein höflicher Gesichtsausdruck bleibt unverändert. „Einfach, weil es tatsächlich keine Rolle mehr spielt, Sina.“
„Bedeutet das, du hast deine Meinung über uns geändert?“ Meine Stimme bebt.
„Ja.“
„Aber warum?“, bringe ich mühsam hervor.
„Mein Gott!“ Urplötzlich legt er seine Hand auf meine Schulter und drückt sie schmerzhaft. „Hast du eine Ahnung, was ich seit Freitag durchgemacht habe?“ Dann beugt er sich über mich und sein Gesicht ist dem meinem so nahe, dass unsere Stirnen sich berühren. „ Irgendeine Ahnung ?“ Ich spüre seine mühsam unterdrückte Wut, aber auch seinen Kummer. Er drückt noch fester. Seine Finger bohren sich förmlich in mein Fleisch und die Knöchel seiner Hand treten deutlich hervor.
Ich reiße mich los.
„Nein. Nein, das weiß ich nicht! Ich weiß gar nichts!“ Ich achte nicht auf die Leute, die vorbeigehen, aber Leander zieht mich in eine ruhige Nische hinter einem üppig bepflanzten Blumenkübel, der uns vor neugierigen Blicken schützt.
„Als ich am Freitagnachmittag nach Hause fahren wollte, zu dir, da kam ich an den Jagdstuben vorbei und sah deinen Wagen auf dem Parkplatz stehen. Direkt neben seinem.“
„Aber ...“ Ich schlucke. „Das musst du verstehen. Ich musste zu ihm gehen.“
„Sei still!“
„Leander!“, flehe ich. „Hör mir zu, verdammt nochmal!“
„Nein. Nein, ich will nichts hören. Ich habe genug gehört, es reicht für den Rest meines Lebens, das kannst du mir glauben.“
„Bitte!“, beschwöre ich ihn. „Nur noch dieses einzige Mal!“ Und irgendetwas in meiner Stimme lässt ihn
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