Meine Seele weiß von dir
gezügelte Leidenschaft, dass es brodelt wie in einem Topf mit siedendem Öl.
Was geschieht, wenn solche Gefühle überkochen?
Es dauert lange, bis ich mich wieder so weit unter Kontrolle habe, dass ich nach Hause gehen kann.
Das Motorrad steht nicht in der Garage. Im Haus werde ich nur von Rainer Maria begrüßt, der auf sein Futter wartet.
Ich fülle seinen Napf, gehe ins Bad und dusche ausgiebig. Danach verkrieche ich mich in meinem Schrank. Hier vergrabe ich mein Gesicht in den Händen und weine, weine, weine.
Was habe ich nur getan, dass Leander derart verbittert ist? Wozu habe ich ihn getrieben?
Kapitel 10
Am Samstag sind wir bei Isolde und Werner Brüning, Leanders Zieheltern, zu einem Grillabend eingeladen.
„Das ist schon lange geplant“, erklärt Leander. „Isi“, so nennt er Isolde, „wünscht sich, dass wir mal wieder alle zusammenkommen. Und ich will ihr das Vergnügen nicht kaputtmachen.“
Isi hat Brustkrebs. Seit einiger Zeit wird sie mit einer Chemotherapie behandelt. Obwohl sie diese gut verträgt, wie Leander sagt, befindet sich Isi emotional in einer kritischen Phase. „Sie braucht eine Aufmunterung - also gehen wir hin“, bestimmt er.
„Wer, außer uns, wird noch da sein?“
„Nur Rick und Monika.“
Rick. Klar, sein Cousin. Aber sie kenne ich nicht. „Wer ist Monika?“, will ich wissen.
„Ricks Frau. Die beiden erwarten im Sommer ihr erstes Kind“, klärt Leander mich auf und fährt stockend fort : „Ich habe den Eindruck, dass sie eventuell ein paar Schwierigkeiten haben.“
„Na ja“, erwidere ich. „Schwangere Frauen können sehr, sehr seltsam sein, nicht wahr?“
Leander fixiert mich einen Augenblick. „Ja“, sagt er dann schroff. „Ja. Das können sie.“
Isi – klein, schmächtig, dunkelblond mit koboldhafter Kurzhaarfrisur - umarmt uns zur Begrüßung. Leander drückt sie zusätzlich einen herzlichen Kuss auf die Wange.
„Die anderen sind auf der Terrasse“, sagt sie. Ihr Mann Werner, der sich als grauer Hüne mit erstaunlich feingliedrigen Pianistenhänden entpuppt, fragt, was wir trinken möchten.
Leander nimmt ein Bier. Ich schließe mich dem an und folge ihm in den Garten, in dem Werner schon den Grill angeheizt hat. Daneben, auf einem Servierwagen, stehen Salatschüsseln, ein Brotkorb, Kräuterbutter, Grillsoßen und Geschirr.
Monika und Rick sitzen bereits am Tisch, stehen aber auf, um uns zu begrüßen. Sie ist hochgewachsen, schlank, attraktiv und trägt das glatte, dunkle Haar zu einem Knoten geschlungen, nach Art einer spanischen Tänzerin. Ihr eierschalenfarbenes Kleid unterstreicht die Bräunung ihrer Haut und betont ihre fortgeschrittene Schwangerschaft vorteilhaft. Kurz und gut: Sie sieht umwerfend aus.
Neben ihr fühle ich mich, in Jeans und ein schwarzes Top gekleidet, unansehnlich. Außerdem mag ich es nicht, dass sie nacheinander meine Wangen küsst. Es passt mir noch weniger, dass sie es auch bei Leander tut.
Leander starrt auf einen tiefblauen Fleck auf Monikas Oberarm. Es kommt mir vor, als würde er sie forschend anschauen. Sie errötet, schüttelt kaum merklich den Kopf und wendet sich wortlos ab.
Oder?
Möglicherweise hab e ich mir das eingebildet.
Rick wirkt mürrisch. Er nickt uns kurz zu, bevor er sich wieder setzt. Außerdem habe ich den Eindruck, dass mein Gedächtnisverlust fast jeden hier zumindest ein bisschen ratlos macht. Vermutlich wissen sie nicht, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollen. Jedenfalls kommt so gut wie kein Tischgespräch zustande und außer Isi, die nichts davon zu bemerken scheint und zwanglos von einem Besuch bei ihrer Tochter Britta und den drei Enkelkindern erzählt, verhalten sich die übrigen eher still und zurückhaltend.
Es gibt griechische Spezialitäten. Als Vorspeise essen wir Zaziki, schwarze und grüne Oliven, gegrillten Schafskäse, gefüllte Weinblätter. Danach machen wir uns über Souvlaki-Spieße mit Schweinefleisch, Lammkoteletts und Fisch her. Dazu gibt es Blattsalate mit Gurken und Tomaten und frischgebackenes Fladenbrot. Alles schmeckt köstlich! Ich lange, im Gegensatz zu Monika, herzhaft zu.
Mir ist bewusst, dass die anderen mich verstohlen beobachten. Ich kann mir denken, warum: Mein guter Appetit ist vermutlich etwas Neues für sie. Sina-Mareen – nicht Sina, die Frau im Schrank - hat wohl nicht so viel in sich hineingeschlungen.
Mit einem Anflug eines schlechten Gewissens denke ich sekundenlang an den Fitnessraum im Keller. Verdränge den
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