Meine Seele weiß von dir
mit?“
„Nein. Nur, wenn Brigitte, meine Freundin, keine Zeit hat, auf ihn aufzupassen.“ Sie gießt mir noch einmal Kaffee ein und gibt Milch dazu.
Liebevoll tätschle ich Herrn Hischers hellbraunen Schopf. Er schließt genießerisch die Augen. Sein Schwanz fegt über die Fliesen.
Ich habe das Gefühl, Frau Hischer möchte über Rainer Maria reden. Und darüber, dass Claudia hier war und sie sie reingelassen hat, ja, reinlassen musste . Aber ich will nicht an diese Wunden rühren. Frau Hischer scheint es zu spüren, denn sie verhält sich entsprechend zurückhaltend.
Betont munter erzähle ich ihr, dass ich die Freya-Kollektion erweitert und in der Nacht an einem Ring gearbeitet habe. „Es sollen Verlobungsringe werden“, erkläre ich ihr. „Ein Kunde hat mich auf die Idee gebracht, das Verlöbnis wieder mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Er findet, es ist eine schöne und romantische Zeit im Leben, die wieder ein gewisses Maß an Anerkennung finden sollte. Ich denke, dass er recht hat.“
Frau Hischer stimmt zu und ich frage sie, warum sie nie geheiratet hat.
„Ich bin lesbisch“, antwortet sie schlicht. „Möchten Sie noch ein Einback?“
„Äh ... nein.“ Nach dieser Eröffnung muss ich ein paar Mal schlucken. „Danke, ich bin pappsatt.“ Es ist eigenartig und unangemessen, dass ich verunsichert auf diese Mitteilung reagiere. Doch ich kann mir Frau Hischer, diese fürsorgliche Frau um die fünfzig mit den aufgesteckten Haaren, nicht als Lesbe vorstellen.
„Brigitte und ich leben jetzt seit achtzehn Jahren zusammen“, fährt sie fort.
„Oh.“
„Ich bin glücklich, lesbisch zu sein. Ich stehe dazu. Meine Partnerin auch.“
„Natürlich. Es kommt bloß so ... so überraschend.“
„Sie haben es bisher nicht gewusst. Glaube ich jedenfalls. Ich meine, vor Ihrem Unfall haben wir selten über private Dinge gesprochen. Ich kann nicht sagen, ob es Sie gestört hätte. Den meisten Menschen ist es egal.“
„Mir ebenfalls. Es ist nur, ich weiß auch nicht. Sie sehen gar nicht danach aus“, platze ich heraus.
Sie zwinkert mir zu. „Keine kurzen Haare, strengen Hosen, flachen Absätze und keine ungeschminkten Lippen, meinen Sie? Nichts dagegen - i st jedoch nicht Gittes und mein Stil, diese verhohlene Weiblichkeit.“ Sie nimmt meinen Teller und stellt das Geschirr zusammen. Ihre Hände sind, trotz der vielen Hausarbeit, sehr gepflegt. Es sind zierliche Hände, die Nägel sind kurz und mit Klarlack lackiert. Ich stelle mir vor, wie diese Hand von einer anderen Frauenhand liebevoll gehalten werden .
„Kindchen?“
„Hm?“
„Ist alles in Ordnung? Ich meine, gibt es jetzt ein Problem zwischen uns?“
„Nein, überhaupt nicht! Im Gegenteil: Sie haben mich inspiriert!“
Sie steht auf und fängt an, den Tisch abzuräumen.
„Zu was?“
„Ich werde Ringe für lesbische Paare entwerfen. Neben der Freya- wird es eine ... eine Sappho-Kollektion geben.“
Sie hat die Spülmaschine eingeräumt. Lächelnd dreht sie sich zu mir um. „Das hört sich interessant an.“
„Ja! Ich weiß nur noch nicht genau, wie sie aussehen soll, welches wiederkehrende Sinnbild ich verwenden könnte.“
„Sappho. Wenn Sie bei dieser altgriechischen Dichterin und bei Pflanzen bleiben wollen, wie wäre es mit Veilchen?“
Ich starre sie an, zu verblüfft, um mein Erstaunen darüber zu verbergen, dass meine Haushaltshilfe sich mit altgriechischen Dichterinnen und Sinnbildern auskennt.
Frau Hischer verstummt. Sie lacht unsicher. „Als ich jung war, wollte ich unbedingt Schauspielerin werden.“ Sie zuckt mit leisem Bedauern die Schultern. „Leider besaß ich überhaupt kein Talent und auch nicht das nötige Aussehen. Stattdessen wurde ich Garderobenfrau am Theater. Damals gab es dieses Stück, das ich so mochte. Ich habe vergessen, wie es heißt. Irgendwas Französisches. Darin symbolisiert jedenfalls ein Strauß Veilchen die lesbische Liebe.“
Ihr Gesicht wird weich. „Ich habe es mir natürlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit angeschaut! Die Hauptdarstellerin war sehr freundlich. Sie sagte mir damals, der Autor spiele damit auf Sappho an, die in einem Gedicht beschreibt, wie sie und ihre Geliebte Kränze aus Veilchen trugen, wenn sie glücklich miteinander waren. Seither ist das Veilchen ein Symbol für die Liebe zwischen zwei Frauen.“
„Das ist ein großartiger Einfall, Frau Hischer!“ Ich lasse meiner Begeisterung freien Lauf. „Sie sind spitze! Ich werde sofort ein paar Entwürfe
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