Meine Seele weiß von dir
davor. „Das hier ist kein Puzzle, bei dem ihr mir wahllos Teilchen für Teilchen reicht, damit ich sie brav zusammenfüge, wieder fortnehme, weil sie doch nicht passen, woanders ansetze und so lange herumprobiere, bis ich endlich die richtige Stelle gefunden habe und allmählich ein Bild entsteht, das für mich einen Sinn ergibt.“
„Sondern?“
„Es ist wie bei einem Mosaik.“
„Einem Mosaik?“
„Ja. Es ist vollständig zusammengesetzt und lediglich verschüttet. Aber kein Steinchen ist verloren gegangen, jedes ist da und liegt an seinem Platz, an genau der richtigen Stelle. Ich muss gar nichts zusammenfügen. Es wartet nur darauf, dass ich es freilege. Danach füge ich meinem Lebensbild neue Steine hinzu, Tag für Tag, wie jeder von uns. Und ...“
Er wartet ab , atmet nur schneller, als ich mir zu lange Zeit lasse, weil ich nicht sicher bin, ob ich das Nachfolgende sagen soll. Ich gebe mir einen Ruck, öffne die Tür noch weiter. „Du wirst ganz bestimmt weiterhin Bestandteil dieses Mosaiks sein. Als mein Mann.“
Er verdreht seine schönen Augen. „Warum bist du nur so stur?“
„Ganz einfach.“
„Nein! Sag es nicht.“
„Ich ...
„Sina, sag es nicht!“
„... liebe dich.“ Es klingt wie ein Pistolenschuss. Kein bisschen sanft oder zärtlich, eher drohend stoße ich es hervor.
„Ich dich nicht mehr.“
„Und ob.“ Ich kann ein hysterisches Kichern nicht unterdrücken und schiebe die Schwebetür ganz zur Seite. „Und ob du das tust! Ich habe gesehen, wie du mich anschaust, habe deinen Herzschlag an meinem gespürt und gefühlt, wie sehr ich dich errege. Ich habe die Sorge in deinem Gesicht gesehen und die Leidenschaft in deiner Stimme gehört, obwohl du es vor mir verbergen wolltest. Du liebst mich, Leander, ganz egal, was du mich und dich glauben machen willst.“ Haltlos glucksend sitze ich im Schrank.
„Was ist so lustig?“ Leander klingt befremdet.
Ich japse eine Antwort.
„Was?“
„Du hast es bloß - vergessen !“
Wo kommen nur all die Tränen her? Die Schluchzer? Ich lache doch. Ich lache!
Leander seufzt einen abgrundtiefen Seufzer. „Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll“, sagt er. „Wie lange kann ein Mensch das alles aushalten, Sina?“
Ehe ich etwas erwidern kann, höre ich etwas ganz und gar Unglaubliches und im selben Augenblick bin ich versucht Leander zu glauben, dass er mich tatsächlich nicht mehr liebt.
Kapitel 23
Der folgende Tag ist ein Dienstag - und ich zittere noch immer vor Empörung, wenn ich an Leander und an gestern denke! Ich kann kaum meine Hand ruhig halten, um meine Wimpern zu tuschen. Und gerade heute will ich gut aussehen, ein perfektes Make-up auflegen, eine Maske, die mein Gegenüber nicht erkennen lässt, was in mir vorgeht. Denn gestern, irgendwann, nachdem ich Leander aus seinem eigenen Haus komplimentiert hatte, fand ich in meinem Posteingang eine E-Mail von Holger Helin:
Hallo!
Bin am Dienstag, 17. Juni, ca. 14.00 Uhr da, um mein Schmuckstück in Händen zu halten. Passt das? Kann es kaum noch erwarten und freue mich!
Ungeduldige Grüße
Holger Helin
Ich verziehe den Mund. Das klingt furchtbar gestelzt für mich. Außerdem kommt es mir so zweideutig, ja, beinahe schlüpfrig vor. Wie eine versteckte Botschaft:
Bin am Dienstag, 17. Juni, ca. 14.00 Uhr da bedeutet: Kannst du das einrichten?
Um mein Schmuckstück in Händen zu halten meint vielleicht: Ich, Sina, bin das Schmuckstück!
Passt das? Bedeutung: Ist die Luft rein?
Kann es kaum noch erwarten und freue mich! Bedarf keiner Übersetzung.
Ungeduldige Grüße – nun, das auch nicht.
Andererseits kann es auch einfach nur das bedeuten, was da steht, und meine Fantasie geht lediglich mit mir durch.
Meine Antwort an ihn besteht lediglich aus zwei knappen Worten: Es passt!
Gestern Nacht habe ich mir Leanders Sendung angeschaut. Ich lauschte seiner weichen Stimme und verfolgte jede seiner Bewegungen.
War da nicht ein angespannter Zug um seinen Mund? Ein resignierter Ausdruck in seinen Augen? Klang seine Stimme nicht eine Spur zu rau?
Später hörte ich stundenlang Aerosmith und musste immer wieder an die Szene im Bad und später in unserem Schlafzimmer denken, an unser Gespräch und die ungeduldige Stimme, die es abrupt unterbrach .
*
„ Lean!“ Es hatte beinahe wie der schottische Name Ian geklungen und so brauchte ich einige Sekunden, um zu begreifen , wer da was sagte. „Lean! Wird es noch lange dauern?“
Ungläubig schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher