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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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ich den Kopf. Claudia!
    „Lean? Ich meine, es war doch bloß eine Katze und jetzt ist es gleich halb eins!“
    Er hatte sie mitgebracht. Hierher, in unser gemeinsames Zuhause, in einer Situation, in der ich emotional zutiefst angeschlagen war und mir nichts auf der Welt weniger wünschte, als dass ich ausgerechnet seiner Freundin begegne.
    Ganz offenbar saß sie seit fast drei Stunden da unten, trank meinen Kaffee und wartete auf meinen Mann! Das war wie eine tiefe Wunde, die nicht aufhörte zu bluten. Doch es erklärte andererseits, warum er im Bad so grantig reagiert hatte.
    Ich öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei und selbst diesen hielt ich zurück und biss mir stattdessen auf die Faust.
    Leander erbleichte, dann lief er dunkelrot an. Er presste seine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Ach, Herrgott nochmal! Wir waren gerade auf dem Weg, um eine neue Wohnung anzusehen, als Frau Hischer mich über das Handy erreichte. Ich konnte Claudia schlecht am Straßenrand absetzen.“
    Natürlich hatte er recht, aber deswegen tat es nicht weniger weh und irgendwie fand ich, dass er sie sehr wohl hätte irgendwo absetzen können. Von mir aus auch am Straßenrand!
    Unsere Blicke begegneten sich. Zuerst erschrak ich vor dem intensiven Flackern in seinen Augen.
    „Lean? Nun mach schon!“, nörgelte Claudia.
    Da wurde ich wütend, richtig wütend, und es waren meine Augen, die geflackert haben dürften. Aber vor allem brannten sie von ungeweinten Tränen. Dennoch würde ich nicht weinen. O nein! Ich hatte in den letzten Wochen mehr als genug geflennt. Es reichte für den Rest meines Lebens, das schwor ich mir: keine Heulerei mehr!
    „Sina, ich ...“
    Ich unterbrach ihn, indem ich eine Bewegung machte, als würde ich ein lästiges Insekt vertreiben. „Verschwindet.“
    „... habe dir gesagt, wie es ist“, fuhr er gelassen fort. „Es wird Zeit, dass du dich mit den Tatsachen abfindest.“
    „Alle beide“ , fauchte ich.
    „Je eher, desto besser , Sina .“
    „Sofort!“
    Er erhob sich und tat, was ich verlangte.
    Ich schlich nicht zum Fenster, um heimlich zuzuschauen, wie sie wegfuhren. Stattdessen blieb ich in meinem Schrank. Erst nach einiger Zeit raffte ich mich auf und ging in mein Atelier. Dort arbeitete ich bis zum Umfallen an meiner Freya-Kollektion.
    Erst danach sah ich meine E-Mails durch und beantwortete die von Holger Helin.
     
    *
     
    Der Gedanke an Helin und dass es sein Wagen ist, der gerade vorfährt, lässt mich vor Nervosität an der Innenseite meiner Wange saugen.
    Lautlos gleitet ein nachtschwarzer Jaguar heran und bleibt stehen. Die vorspringende Raubkatze auf der scharf konturierten Motorhaube glänzt im Sonnenlicht wie Quecksilber. Hinter den getönten Scheiben fällt es kaum auf, dass ein Mann in dem Wagen sitzt. Dunkel und still wie aus Beton gegossen, ein massiver Schatten, der offenbar zum Haus herüberschaut.
    Absurderweise fühle ich mich ertappt, als könnte er über Röntgenaugen verfügen und sehen, dass ich hinter der Jalousie stehe und seine Ankunft beobachte. Es ist ziemlich genau zwei Uhr, als er die Wagentür öffnet, aussteigt und zur Haustür kommt.
    Zu mir.
    Der Frau, die nichts weiß.
     
    Auf seinem Anrufbeantworter hatte seine Stimme tief und kultiviert geklungen. Angenehm, nicht ganz so klangvoll wie Leanders, doch ziemlich ähnlich.
    Die Stimme eines großgewachsenen Mannes mit breitem Brustkorb, etwa in meinem Alter, dunkles Haar, markante Gesichtszüge, ein natürliches Lächeln, das ständig in den Mundwinkeln hängt – so hatte ich mir Holger Helin vorgestellt. Mit dieser Vorstellung hat er nicht viel Ähnlichkeit.
    Als ich auf sein Klingeln hin die Tür öffne, lächelt er nicht, sondern grinst wie ein Honigkuchenpferd. Er hat braune Vogelaugen, mit denen er mich blitzschnell mustert. Seine Hand, in der meine kurz verschwindet und kräftig gedrückt wird, ist ungewöhnlich groß für einen Mann seiner Statur. Seine Finger fühlen sich warm und ein bisschen feucht an. Die Nägel sind gerade gefeilt und poliert.
    Holger Helin überragt mich nur um wenige Zentimeter, misst vielleicht knapp eins fünfundsechzig. Sein Haar, sorgfältig mit Seitenscheitel frisiert, ist braun grau. Er ist schlank, ziemlich sehnig und trotz seiner geringen Körpergröße – oder vielleicht gerade deswegen – durchtrainiert.
    Sein sandfarbener Sommeranzug stammt mit Sicherheit aus Italien, ebenso die Schuhe. Holger strahlt Selbstsicherheit und eine lässige Eleganz aus.

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