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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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und ich, wir sollten für Mutter was einkaufen.“
    „Hör doch mal zu, Si...“
    „Bratwurst! Jetzt hab ich es ! Einen Ring Bratwurst. Von der besten. Und noch ein paar andere Sachen, die wir uns einfach nicht merken konnten.“
    „Mein Gott, Sina.“ Lisa flüstert.
    „Deswegen sangen wir sie die ganze Zeit vor uns hin. In dem Laden haben wir dann jedes Mal ein Teil vergessen. Wir sind drei oder vier Mal zurückgegangen. Der Mann, dem der Laden gehörte, war sehr nett. Er hat gelacht und uns Bonbons gegeben.“
    „Sina!“, schreit Lisa.
    Ich beachte sie nicht. „Auf dem Rückweg hat uns irgendein Bauer auf seinem Pferdewagen mitgenommen.“
    „Ein Pferdewagen!“, höhnt Lisa. „Verflucht nochmal! Sina, hör mir ...“
    „ Richtig ?“
    Ich bin aufgeregt, glücklich und begeistert. Alles auf einmal! Ich mache Fortschritte. Riesenfortschritte! Jetzt erinnere ich mich sogar schon an unwichtige Details! Ein gewisser Triumph liegt in meiner Stimme, als ich mich meiner Schwester zuwende. „ Richtig ?“, wiederhole ich.
    „Nein.“ Lisa hebt die Hände an ihre Schläfen und massiert sie, als hätte sie Migräne.
    „Wie – nein?“
    „Nein. Was du da erzählst, ist niemals passiert. Wenigstens nicht uns. Es ist lediglich eine Geschichte aus einem Kinderbuch.“ Sie lässt die Hände sinken. „Die Kinder aus Bullerbü.“
    Ich bin fassungslos.
    „Es ist deine Lieblingsgeschichte, die, in der Inga und Lisa Bratwurst einkaufen. Die drei Jungen sind Lasse, Bosse und Ole. Mutter musste sie dir immer vorlesen, wenn du krank warst.“
    Lisa, die vor mir steht, beginnt vor meinen Augen zu flackern wie eine Flamme im Wind.
    „Aber ... das kann nicht sein! Ich erinnere mich doch ganz deutlich! An jede Einzelheit! Den Laden! Wir haben uns unterhalten. Und gesungen.“
    „Ach was. Du hast an die tausend Bilder zu der Geschichte gemalt. Ich glaube, ich habe sogar eines aufgehoben.“
    Ich muss mich gegen die Schaufensterscheibe lehnen. Es ist, als wäre alle Kraft aus mir herausgeflossen, und in meinem Kopf rät mir Doktor Yvonne unverhofft: „ Suggerieren Sie sich nichts - denn Erinnerungen, die falsch sind, fühlen sich genauso an wie echte.“
    „Bist du sicher?“, frage ich meine Schwester. „Ich meine, ganz und gar sicher?“
    „Absolut. Wir waren nie vorher hier in diesem Geschäft. Und du kannst die Geschichte zu Hause nachlesen. Du hast alle Bücher von Astrid Lindgren aufgehoben.“
    Das stimmt.
    Und wieder Doktor Yvonnes Erläuterungen in meinem limbischen System: „Im Grunde ist es wie in einem Krimi: Die echten Erinnerungen hinterlassen Zeugen. Man findet Indizien und Spuren, mit denen sie beweisbar sind.“
    Und die falschen? Tja. Sie hinterlassen nichts.
    „Ach, Mist“, sage ich müde. „Verdammter , verdammter, verdammter Mist ! “
     
    Nach nicht ganz drei Stunden Autofahrt, in denen ich fast ausschließlich über meine Bullerbü-Erinnerung nachgrübele, biegen wir in eine Einbahnstraße. Hier breiten sich ruhige S traßenzüge zwischen üppigem Grün aus. Es ist ein gediegenes Viertel mit den typischen Einfamilienhäusern der sechziger Jahre, in dem gut betuchte Menschen leben.
    Lisa hält vor einem hellgelben Haus. Es steht inmitten eines großzügigen Grundstücks, das sogar einen Teich vorzuweisen hat, an dem eine Holzbank zum Sitzen einlädt.
    Kugelig geschnittene Buchsbäume umsäumen einen Gartenweg, der zu einer Haustür mit einem Messinglöwenkopf als Türklopfer führt. Efeu rankt sich malerisch um eine Laterne. Z wei Eichhörnchen huschen über die Straße und verschwinden in den Bäumen des Vorgartens.
    „Das ist ja traumhaft!“, rufe ich begeistert.
    „Ja“, stimmt Lisa mir zu und steigt aus. „Leider wohnen Mama und Alfons aber da drüben.“ Sie deutet auf einen weißen Flachdachbungalow, der wie ein Schuhkarton auf einem sorgsam getrimmten Rasen steht. Wie ein kleinerer Karton lehnt sich ein Anbau dagegen.
    Es gibt genau einen Baum. Eine einsame Silberbirke, deren ebenfalls weißer Stamm beinahe wie ein belaubter Fahnenmast wirkt. Außerdem prangt mitten auf dem Rasen eine Skulptur: ein etwa zwei Meter hoher, abstrakter Vogel aus Schrott. Er hat zwei Köpfe mit groben, aufgerissenen Schnäbeln, aus denen allerhand Konsumgüter hängen, die er verschlingt. Der rostige Körper ist verbeult, die langen Beine dürr, und er hat die scheinbar gerupften Flügel weit ausgebreitet, als wollte er gerade losfliegen.
    Keine Ahnung, was das darstellen soll. Ich finde das Ding

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