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Meine Seele weiß von dir

Meine Seele weiß von dir

Titel: Meine Seele weiß von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ludwigs
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grottenhässlich.
    Hinter mir gluckst Lisa. „Falls du es nicht mehr weißt: Alfons, das ist Mutters Lebensgefährte, ist Recycling-Künstler. Er erschafft Skulpturen aus dem Schrott, den Großstädte hervorbringen.“
    „Ach.“
    Sie deutet auf das Vogelding. „Das ist sein Pleitegeier.“
    Ich kann nichts mit abstrakter Kunst anfangen. Ich finde Skulpturen schön, aus denen ich etwas zu erkennen vermag, an denen Köpfe, Arme und Beine an den anatomisch richtigen Stellen und in der korrekten Anzahl sitzen. Ich mag weiche Formen und Farben lieber als kantigen, rostigen Stahl.
    Lisa scheint mein Unbehagen zu spüren. Jedenfalls legt sie mir einen Arm um die Schulter. „Keine Sorge!“, beruhigt sie mich. „Alfons weiß, dass wir nicht auf seine Kunstwerke stehen. Es wird ganz sicher keine Gespräche oder Fachsimpelei hierüber geben.“
    Sie holt den Korb mit der Marmelade und die Rosen aus dem Kofferraum. Ich nehme das durchweichte Papier ab und stopfe es in die Mülltonne, die seitlich neben dem Haus steht.
    „Haben wir hier gewohnt?“
    Lisa verneint. „Es ist Alfons Haus. Mutter wohnt erst seit zehn Jahren hier.“
    Ich werfe einen sehnsüchtigen Blick zu dem Haus mit dem Gartenteich. Dann folge ich meiner Schwester.
    Sie drückt auf die Klingel. Drinnen ertönt ein angenehm tiefer Ton, ein Gong, der sogar nachzuhallen scheint. Es erinnert mich an Tibet.
    Die Tür fliegt auf. Unsere Mutter steht vor uns und ich denke, dass ich in etwa dreißig Jahren ganz genauso aussehen werde. Sie wirkt jünger, als sie ist, hat eine schlanke Figur, trägt Jeans und eine ähnliche Bluse wie ich.
    „Mädchen!“, ruft sie. Umarmt erst Lisa und küsst ihr die Stirn, und danach tut sie mit mir dasselbe. „Ihr seid spät dran! Das Essen ist schon lange fertig.“ Sie zerrt uns ins Haus. „ Alfoohoons ! Alfons! Die Mädchen sind da.“
    Sie nimmt mir die Blumen ab, vergräbt ihre Nase darin und lacht. „Ach, die sind einfach wunderbar ... Alfoohoons ! Die Mäd ...“
    „Hier bin ich!“
    Ein hoch aufgeschossener, schmächtiger Mann in schwarzen Jeans und schwarzem Shirt, mit grauem Stoppelschnitt und sonnenverbranntem Gesicht kommt in die minimalistisch eingerichtete Diele. Er umarmt Lisa, schüttelt mir die Hand und fragt, wie die Fahrt gewesen ist.
    Er nimmt Lisa den Korb mit der Marmelade ab und w ir gehen alle in den mit zahlreichen Pflanzen – darunter viele Orchideen - bestückten Wintergarten, wo bereits der Tisch gedeckt ist. Es ist ein einfacher, rechteckiger Pinienholztisch mit je drei Stühlen an den Längsseiten. Alfons holt eine Vase und stellt die Rosen hinein.
    Die Glastüren des Wintergartens sind allesamt aufgeschoben. Ein leichter Wind spielt mit den Blumen. In einer Ecke, neben einem buschigen Ficus, ragt ein langer, zylindrischer Metallmann mit einem winzigen, deformierten Kopf auf. Er hat vier Arme und Hände mit zu vielen Fingern, als wolle er möglichst viele Dinge gleichzeitig tun. Außerdem steht er auf drei Beinen. Als ich genauer hinsehe, erkenne ich, dass es doch nur zwei sind. Das dritte Bein ist nichts anderes als sein Geschlecht. Auch diese Skulptur finde ich abstoßend. Ich möchte gar nicht erst wissen, welchen Titel dieses Kunstwerk trägt!
    „Es gibt Himmel und Erde“, verkündet meine Mutter. „Dein Lieblingsgericht.“ Sie tätschelt meine Wange und trägt auf. Der Kartoffelbrei, unter den sie frisches Apfelkompott gehoben hat, schmeckt köstlich! Und die Blutwurst, mit Zwiebelringen angerichtet, ist knusprig gebraten.
    Während des Essens reden wir nicht viel, denn Alfons hat Musik angemacht, die ziemlich laut im Hintergrund läuft. Ein Klavierkonzert. Schubert, Opus 142, glaube ich. Ich muss widerwillig zugeben, dass ich es als entspannend und angenehm empfinde, keine zwanghafte Konversation machen zu müssen. Dafür wird viel gelächelt. Und genickt. Jeder sieht jeden an, lächelt ihm zu, nickt, wechselt den Blickkontakt, lächelt, nickt wieder. Ja, es kommt mir vor, als wenn wir vor lauter Nicken und Lächeln kaum einen Bissen zu uns nehmen, und jedes Mal, wenn meine Schwester und ich uns anschauen, verkneifen wir uns das Lachen. Wie alberne Kinder.
    Wenn Mutters und Alfons‘ innige Blicke sich dagegen treffen, sind ihre Augen voller Zärtlichkeit. Und das, nachdem sie schon zehn Jahre zusammenleben, denke ich. Ich beneide sie glühend.
    Nach dem Essen steht Alfons auf, schaltet die Musik aus und erklärt, dass er sich um den Abwasch kümmert.
    Meine Mutter holt mehrere

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