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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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Fleisch und Blut übergegangen, zunächst einmal seinen Kundschafterblick rundum gehen zu lassen und, wenn er mit den Augen nichts entdecken konnte, seine Ohren anzustrengen und seine Nase. Er hatte gelernt, den Bogen mit lässiger Bewegung zu spannen, die kein Tier aufschreckte und flüchten ließ. Und später hatte er gelernt, welche Kräuter Kräfte schenkten und welche nicht, welche gesund und welche krank machten. Er hatte gelernt, wie man Dämonen vertrieb und wie man den, der die Blitze schleuderte, mit Tabak wieder versöhnte. Und sie hatten nur das Rundhaus der Familie dazu gebraucht und das langgestreckte Haus der Männer. Die Yahi hatten keine Schrift und keine Bibliothek, ihr Wissen, ihren Sprachschatz mußte er immer im Kopf haben, er wurde von Kopf zu Kopf, von Hirn zu Hirn weitergegeben. Vergessen durften sie nichts.
    Waterman vertröstete sich auf später. Es war wirklich zu früh, dem letzten Yahi bereits am ersten Tag seiner Anwesenheit in San Francisco die Universität zu zeigen. Obwohl er das Gefühl hatte, daß der rote Mann wußte, wie sehr sein, Watermans, Herz an all dem hier hing. Er war stolz darauf, hier lehren zu dürfen.
    Um die Stimmung zu heben, versuchte Waterman seinem Schützling zu erklären, daß er ihn am Abend zu sich nach Hause mitnehme, zu seiner Frau und seinen beiden Kindern, es würde ein sehr gutes Dinner geben.
    Der Mann hörte zu, etwas reserviert, wie es seine Art war, begriff anscheinend ein bißchen von dem, was ihm gesagt wurde, und reimte sich das andere zusammen.
    Waterman war äußerst gespannt, wie sich sein neuer Freund in der ersten Wohnung eines weißen Mannes, die er je betrat, benehmen würde. Und er war nachher erstaunt, wie selbstverständlich sich sein Gast in der für ihn vollkommen neuen Umgebung bewegte.
    Der Indianer erlebte die Situation ganz anders, als sie Waterman sah. Er wußte nicht, was ihm bevorstand, als Waterman die Tür zu seiner Wohnung aufschloß. Er betrat zaghaft den Läufer im Korridor und hatte keine Ahnung, was jetzt folgen würde. Die vielen Türen verwirrten ihn, denn er wußte nicht, wohin sie führten. Erst als er Kinderstimmen hörte, beruhigte er sich. Der Professor öffnete eine Tür, und da war ein heller Raum, ganz anders als der seine im Museum, mit kleinen nachgemachten Tieren und Menschen, und die beiden Kinder sahen ihn mit großen Augen an.
    Er lächelte, und da lächelten die Kinder zurück. Als er sich umdrehte, stand eine junge Frau vor ihm, fast so groß wie der Professor, mit hellem Haar und hellen Augen. Sie war lautlos hereingekommen, er hatte sie fast nicht gehört. Er errötete und neigte seinen Kopf. Erst, als ihm Mrs. Waterman die Hand zum Gruß bot, ergriff er auch die ihre.
    Die Frau lud ihn offensichtlich ein, ihr zu folgen, und er folgte ihr. Hinter ihr betrat er ein anderes Zimmer, dessen Pracht ihn fast erschlug. Es war das Eßzimmer, der Tisch war gedeckt, in der Mitte der Tafel stand ein Blumengesteck, links und rechts davon Kerzen in silbernen Leuchtern, neben den Tellern lagen die Bestecke, und hinter den Tellern standen verschiedene Gläser. Er sah das wie einen Traum. Was sich auf dem Tisch befand, schien ihm äußerst merkwürdig und in seiner Bedeutung unklar, aber er fürchtete sich nicht davor. Dazu kam, daß jetzt ein feiner Duft von der Küche her in das Zimmer zog.
    Er hatte Hunger.
    Etwas später brachte die Hausangestellte, die ihn scheu musterte, die Kinder herein. Dann kam wieder die junge Frau des Professors. Sie setzte sich, indem sie ihm zunickte. Er nickte zurück und setzte sich auch. Flüchtig musterte er die silbern schimmernden Bestecke, lächelte den Kindern und Waterman zu, der ihn verwundert beobachtete.’
    Das Mädchen brachte die Suppenterrine, und die Frau des Professors entnahm einen Schöpflöffel voll Suppe. Der rote Mann nahm nicht mehr und nicht weniger. Er griff auch nach dem Löffel ganz rechts von seinem Teller, als Frau Waterman nach dem ihren langte, und er aß seine Suppe im gleichen Tempo wie die Frau des Professors, mit den gleichen Bewegungen, und er hielt ebenso wie sie die eine oder andere kürzere oder längere Pause ein. Als sie mit der Serviette die Lippen abtupfte, machte er es nach. Und das alles geschah so exakt, so genau mit einer nur winzigen zeitlichen Verschiebung, daß ein Fremder, wenn er die Szene beobachtet hätte, annehmen mußte, sie beide hätten das jahrelang geübt.
    Als zweiten Gang gab es Fisch mit Salaten. Er legte sich ein gleich

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