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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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großes Stück wie die Frau des Hauses auf, nahm ebensoviel Salat. Er griff nach der gleichen Gabel und nach dem gleichen Messer, nur seine Augen strahlten mehr als die der Frau Waterman, weil Fisch auch für ihn etwas Bekanntes war, Jagdbeute und Preis für besondere Geschicklichkeit. Mochte die Zubereitung noch so verschieden sein. Er hatte Lachse gefangen, zumindest solange sie noch nicht ausgeblieben waren.
    »Er kennt Fisch«, erklärte Waterman seiner Frau, »er war ein tüchtiger Jäger und Fischer. Er wird uns später zeigen und erklären, wie er das alles gemacht hat. Er ist sehr wichtig für uns. Du mußt dir eines vor Augen halten, die Yana kannten kein Tongeschirr, sie hatten auch keine Holzschüsseln oder Bretter, keinen Stuhl und keinen Tisch.«
    »Was hatten sie dann als Behälter?«
    »Körbe. Für alles nahmen sie Körbe. Sie waren große Korbflechter. Sie holten Wasser in Körben und kochten in Körben, kannst du dir das vorstellen? Keiner würde denken, daß das geht, aber es ist möglich. Er wird uns das alles noch erklären, man glaubt ja zunächst nicht, daß man Wasser in Körbe füllen kann.«
    Er wandte sich an seinen Schützling und erklärte ihm, was er seiner Frau gesagt hatte. Er fragte ihn, ob es ihm schmecke und ob er auch genügend genommen habe. Der seltsame Gast verstand, verneigte sich, er hatte genug, und im übrigen schien er sehr glücklich.
    »Auch ihre Vorräte bewahrten sie in Körben auf«, fuhr Waterman fort, »gedörrten Fisch und gedörrtes Fleisch. Eicheln und getrocknetes Wildgemüse. Sie kamen glänzend mit ihren Korbwaren aus.«
    Als dritten Gang gab es Steaks mit Kartoffeln und Gemüse. Nun warteten die Kinder schon gespannt darauf, ob Vaters Gast wieder genausoviel nehmen würde wie Mutter. Er hätte ja auch soviel nehmen können wie Vater, der ein bißchen mehr aß als Ma, aber nein, der Indianer hielt durch. Er griff nach Messer und Gabel in der gleichen Art wie Frau Waterman, nachdem er sich genausoviel auf den Teller gelegt hatte wie sie. Er hielt Messer und Gabel wie seine Gastgeberin und verwendete sie ohne Schwierigkeiten und ohne jede Ungeschicklichkeit. Man hätte denken können, er habe sein Leben lang mit Besteck gegessen.
    »Wieso kann er das so gut?« fragte die ältere Tochter.
    »Weil ein Jäger immer geschickt sein muß.«
    »Und warum muß er geschickt sein?«
    »Weil er sonst nichts trifft oder fängt.«
    »Und was ist, wenn er nichts trifft oder fängt?«
    »Dann müssen seine Leute daheim hungern.«
    »Warum kaufen sie dann nichts?«
    »Weil sie keine Geschäfte haben und leider auch kein Geld.«
    »Warum haben sie keine Geschäfte und kein Geld?«
    »Weil sie anders leben als wir.«
    »Warum leben sie anders?«
    Der Indianer verstand bestimmt nicht die einzelnen Fragen. Aber daß das Kind fragte, begriff er. Und das Spiel dieser endlosen Fragerei schien ihm vertraut. Er lächelte das Mädchen an, als Waterman sagte, daß er das später erklären würde, als es noch wissen wollte, warum er es nicht gleich erklärte. Ob er es am Ende gar nicht wisse?
    Nach dem Essen gab es Obst. Trauben, Äpfel und Birnen. Als der Aufsatz mit dem Obst auf den Tisch gestellt wurde, gingen dem Yahi-Mann die Augen über. Noch nie hatte er so herrliche Früchte gesehen. Es mußten ganz andere Wälder sein, in denen Derartiges gedieh.
    Waterman griff sich einen Apfel, seine Frau eine Birne. Fast zur gleichen Zeit wie sie legte auch der rote Mann eine Birne auf seinen Teller.
    Waterman verglich ihn mit Batwi. Der Neue war zweifellos der wesentlich besser Erzogene, er mußte eine sehr feine Mutter gehabt haben. Im übrigen nahm Waterman sich vor, herauszubekommen, ob dieses sich vollkommene Einstellen auf die Frau des Hauses neben der praktischen Seite des Sich-nicht-blamieren-Könnens auch noch andere Gründe hatte, ob sie eine Form der indianischen Höflichkeit war, ob es etwa sagen sollte, du bist die Frau des Hauses, ich halte dich für gut erzogen, darum mache ich alles so wie du.
    Frau Waterman stand in der Tür und winkte, als ihr Mann mit dem »wilden Mann aus Oroville«, wie die Presse ihn schon nannte, wieder zum noch nicht eröffneten Museum auf den Parnassus Heights zurückfuhr.
    Sie hatten schon viele Gäste gehabt, darunter sehr gebildete Leute, aber von diesen allen schien ihr der »Wilde« der kultivierteste gewesen zu sein.
    Als ihr Mann am späten Abend nach Hause kam und sie fragte, wie sie den Gast gefunden habe, antwortete sie, was sie übrigens gerne

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