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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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tat, mit einer Gegenfrage:
    »Hast du seine schönen, gepflegten und vollkommen schwielenfreien Hände gesehen?«
    »Seine Hände?« fragte Waterman. »Bei Gott, die sind mir noch gar nicht aufgefallen.«
    Kroeber war froh, als Waterman in seinem Arbeitszimmer, das er sich im Völkerkundemuseum auf den Parnassus Heights eingerichtet hatte, auftauchte. »Fein, daß Sie da sind, kommen Sie, setzen Sie sich.«
    »Ich wollte nur melden, daß ich unseren Yahi zurückgebracht habe.«
    »Das ist der Grund, warum ich mit Ihnen sprechen wollte, Waterman. Wie fand er es übrigens bei Ihnen daheim?«
    »Er tat überhaupt nicht erstaunt. Ich kann Ihnen nur raten, ihn sobald wie möglich auch einzuladen, jede Schilderung bleibt dagegen farblos.«
    »Aber alle unsere Indianer haben sich doch immer sehr gut bei Tisch benommen.«
    »Aber keiner so gut wie dieser. Er hat alles genauso gemacht wie meine Frau und fast zur gleichen Zeit. Das müssen Sie selbst erlebt haben. Ich möchte gar nicht darauf hinweisen, welches Reaktionsvermögen dazu notwendig ist, aber die Geschicklichkeit! Das ist geradezu unvorstellbar ! Man hat den Eindruck, der hat draußen in den Wäldern um den Mount Lassen genauso getäfelt wie wir. Ich habe mich immer wieder gefragt, ob ich siamesische Zwillinge vor mir habe.«
    Kroeber nickte. »Unser Yahi ist zweifellos eine Persönlichkeit. Darum müssen wir eines ganz eilig tun. Ich könnte jedesmal wild werden, wenn ich in der Zeitung lese >der wilde Mann aus Oroville<. Waterman, wir müssen ihm das geben, was wir alle haben: einen Namen.«
    »Sie wissen, daß ein gut erzogener Yana und daher auch ein Yahi keinem Fremden seinen Namen sagt, genauso wie es für sie sehr unhöflich ist, einen anderen nach seinem Namen zu fragen.«
    »Ich überlege schon die ganze Zeit, wie wir dieses Tabu durchbrechen können. Er braucht einen Namen; morgen zum Beispiel hat sich wieder ein Zeitungsmann angesagt, der über ihn schreiben will, ich will, daß >der wilde Mann aus Oroville< aus den Gazetten verschwindet. Und dann auch im Hinblick auf unseren Empfang demnächst hier. Wir müssen ihm das klarmachen, daß er hier in unserer Welt einen Namen braucht.«
    »Aber hängen Sie ihm bloß keinen Smith oder Brown an. Ich finde es schlimm genug, daß Batwi Sam heißt. Er soll einen Namen in seiner Sprache bekommen, den jeder Weiße aussprechen kann. Und der obendrein einen gewissen Sinn hat.«
    »Überlegen Sie mit, Waterman. Vielleicht fällt Ihnen etwas Hübsches ein.«
    Schon am nächsten Tag erlebte Kroeber, wie der angesagte Zeitungsmann in »den Wilden« drang, ihm doch seinen Namen zu nennen. Batwi, der radebrechend dolmetschte, bekniete ihn in der Sprache der Yana, er möge doch endlich sagen, wie er heiße.
    Nun verstand der Neue die Welt nicht mehr. Es war einfach undenkbar, seinen Namen einem Fremden preiszugeben. Noch unverständlicher war für ihn, daß Batwi, ein Yana, die Gesetze seines Volkes derart vergessen hatte. Er hätte nie und nimmer einen solchen Rat geben dürfen. Um Batwi nicht bloßzustellen, sagte er daher dem Zeitungsmann, er habe seinen Namen vergessen.
    Der Reporter machte eine kleine Story aus diesem Umstand. Der Mann schrieb, »der Wilde« sei so viel allein gewesen und habe so wenig Kontakt mit seinesgleichen gehabt, daß er sogar seinen Namen vergessen habe. Das paßte in das allgemeine Bild, das sich der Weiße vom wilden Mann machte, der nicht lesen und schreiben kann und darüber hinaus so dumm war, daß er sogar seinen eigenen Namen vergaß. Überlegenheitsgefühle waren also durchaus angebracht.
    Kroeber ging hinauf in sein Zimmer und sah das Yana- ‘ Vokabular durch. Einerseits, um dem Yahi die Situation zu erklären, andererseits, um vielleicht einen Namen zu finden. Er stieß unter anderem auf das Yanawort für Mann. Mann hieß Ishi. Ishi war einfach Mann. »Der Wilde aus Oroville« war ein Mann, also war er Ishi. Er rief sofort Waterman an und fragte ihn, was er von Ishi halte. Waterman fand den Namen akzeptabel, wenn auch der Mann, also Ishi, ihn selbst akzeptiere. Und da dem roten Mann Ishi gefiel, war er von diesem Tag an Ishi oder, wie Fremde sagten, Mister Ishi.
    Er reagierte, wenn man ihn Ishi rief, aber da Ishi nun sein Name war, sprach er selbst Ishi nie mehr aus.
    Auf den ersten Sonntag in San Francisco freute sich Ishi. Professor Kroeber hatte ihm erzählt, daß er dann das Meer sehen werde, den Ozean. Ishi wußte, was der Professor meinte. Er hatte zwar bisher mit niemandem

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