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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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5. September 1911. Der Neue wußte es nicht. Dies war der Todestag des großen Häuptlings Crazy Horse, der am 5. September 1877, nachdem die Armee ihm Straffreiheit für seinen Freiheitskampf zugesichert hatte, von einem Gefreiten dieser Armee mit dem Bajonett erstochen worden war.

    Das Zimmer, in das man den Indianer brachte, fand er groß, Waterman zeigte ihm das Bett, ein massives Gestell aus schön poliertem Nußbaumholz mit gedrechselten Verzierungen. Daß das Bett keinen federnden Einsatz hatte, sondern nur Bretter und einen Strohsack darauf, bedrückte nur Waterman. Er tröstete sich jedoch. Immerhin war der Strohsack mit einem sauberen Leintuch bezogen, und auf dem Kopfende lag ein prallgefülltes Federkissen. Neben dem Bett stand ein Schränkchen mit einer Lampe, rechts neben dem Fenster ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen, dann ein Kleider- und Wäscheschrank mit quietschenden Türen und daneben ein dazupassender Waschtisch mit Wasserkrug und Waschschüssel aus Steingut, dahinter ein großer Spiegel.
    Der wilde Mann konnte es nicht fassen, daß er hier wohnen sollte. Als ihm Waterman zeigte, wo er Wasser holen könne, erschrak er, weil das Wasser aus der Wand kam. Er begriff nicht, auf welche Art es dahinein gelangte. Er hielt es einfach für Zauber. Auf der Toilette erschrak er wieder, als der Professor ihm zeigte, daß er an der Kette zu ziehen habe. Er lief davon, als das Wasser herunterrauschte, aber er kam schnell zurück, als ihm Waterman zu erklären versuchte, daß er selbst auch einen solchen Raum habe und daß ihn sogar seine Kinder ohne Schaden aufsuchen könnten.
    Als der Indianer allein war, durchmaß er das Zimmer mit seinen Schritten. Welch riesiger Raum! In der Länge größer als die Hütte für eine große Yahifamilie, dazu viel, viel höher. Der Fußboden war nicht aus gestampfter Erde, sondern mit schönen, fest verankerten Holzbrettern belegt, die braun gefärbt waren und glänzten. Ihm war zunächst schleierhaft, wie er sich auf diesem wunderschönen Holzboden ein Feuerchen anmachen sollte, um sich sein Essen zu kochen. — Und wann gingen Waterman und all die anderen vielen Weißen, die in der großen, großen Stadt wohnten, auf die Jagd? Wo schossen sie ihre Rehe und fingen sie ihre Fische? Und wo fanden die Rehe, die Kaninchen ihr Futter?
    Er entkleidete sich und ging zu Bett. Es war das weichste Lager, das man sich vorstellen konnte, und besonders das Kissen unter seinem Kopf war so weich, daß er immer wieder seinen Kopf hob, in der Angst, er könnte diese Weichheit irgendwie verletzen. Erst nach längerer Zeit begriff er, daß er nicht auf, sondern unter der Decke zu liegen habe. Er hatte es zu Beginn nur deshalb falsch gemacht, weil sie mit geblümtem Stoff überzogen als Decke nicht zu erkennen war.
    Waterman hatte, bevor er den Indianer allein ließ, das Fenster geöffnet. Die kühle Nachtluft wehte herein. Manchmal bauschte sich der Vorhang. Das war wie ein Zauber. Dennoch schlief der Indianer sehr rasch ein. Es war eine seiner Fähigkeiten, schnell einzuschlafen. Während seines Schlafes waren seine Ohren wachsam, sie registrierten jedes Geräusch, aber nur jene Geräusche, die Gefahr befürchten ließen, weckten ihn.
    Kein Wunder, daß er erst aufwachte, als es heller Tag war. Er hatte keine Ahnung, wie hoch die Sonne stand, weil er aus seinem Fenster nur in das Geviert eines Hofes blickte. So blieb ihm nichts anderes zu tun, als sich zu waschen. Er war es gewohnt, den Bach aufzusuchen, jetzt mußte er sich mit der riesigen Schüssel begnügen, in der das Wasser still stand wie in einem See. Doch was war das? Neben der großen Wasserschüssel befand sich ein kleines Seifenschälchen mit einem Stück rosa Seife. Beides kannte er nicht. Er hob zuerst beides auf und entdeckte, daß man das Seifenstück aus dem Schälchen nehmen konnte. Es griff sich eigenartig an, und es roch nach Frühling und Blumen, als er es an die Nase hielt. Da er annahm, was gut rieche, würde auch gut schmecken, biß er in das Seifenstück hinein. Es war ein entsetzlicher Geschmack. Sofort spie er den Seifenbrocken aus und spülte den Mund mit Wasser.
    Nachdem er sich angezogen hatte, setzte er sich barfuß auf einen Stuhl und fand diese Art des Sitzens ziemlich unbequem. Er war es nicht gewöhnt, die Füße herunterbaumeln zu lassen.
    Es war sein Glück, daß er nicht lange auf das Frühstück warten mußte und daß Waterman nach ihm sah. Der Professor erklärte ihm so gut er konnte, daß er ihn

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