Meine Spur löscht der Fluß
traurige Lieder von den Tieren im Wald, von den geräusch- losen Schritten der Yahi, und von dem Mädchen, das auf einen Jäger wartete, so lange, bis es zum Baum wurde.
Ishi kauerte sich hin und summte ein Lied. Batwi kannte keine Lieder, nur ein paar Worte, und manche sprach er schlecht aus, schlechter als ein Weißer. Und Batwi hatte ihm eine Flasche gezeigt mit einer braunen, klaren Flüssigkeit. So klar wie die Yahifrauen die Suppen in ihren Körben gekocht hatten. Und er war so dumm gewesen und hatte einen Schluck versucht. Versucht und sofort wieder ausgespuckt, denn es brannte am Gaumen und auf der Zunge, und Batwi hatte gelacht und gelacht und die Hände auf seine Schenkel geschlagen. Also hatte er auch nicht gelernt oder es wieder vergessen, seine Hände ruhig zu halten. Ein echter Yana und besonders ein Yahi brauchte nicht seine Hände, um zu lachen und zu sprechen. Wie sollte er seine Hände sonst beherrschen, wenn er den Bogen spannte, wenn er zum Stoß mit der Harpune nach dem Lachs ansetzte?
Trotzdem ging Ishi am nächsten Tag wieder mit Batwi zum Essen in die kleine Pension am Fuß der Parnassus Heights. Das ältere, kinderlose Ehepaar, dem diese Pension mit dem winzigen Restaurant gehörte, machte keine Unterschiede zwischen seinen Gästen. Sie bedienten den barfüßigen Ishi genau so freundlich, so langsam und so umständlich wie einen Weißen.
Ishi ging gern dorthin. Er hatte gelernt, zwischen Lunch und Dinner zu unterscheiden, und er wußte auch schon, wie drei, vier verschiedene Speisen hießen. Eine große Karte zur Auswahl gab es allerdings nicht. Man aß, was auf den Tisch gestellt wurde. Und im Grunde war es auch nur ein etwas erweitertes familiäres Essen.
Die Suppen liebte er, wenn sie klar waren. Sie erinnerten ihn an daheim. Die Frauen hatten in ihren Körben immer nur klare Suppen gekocht. Bei gebundenen Suppen tat er sich schwerer. Auch das Fleisch schien ihm manchmal zu lange gekocht oder gebraten, es war labbrig und weich und nicht kernig. Fleisch war etwas zum Beißen, und es durfte auf keinen Fall so sein, daß man es zwischen Zunge und Gaumen zerquetschen konnte. Trotzdem liebte er das kleine Speisehaus mit dem veralteten Mobiliar, seinen etwas wackeligen, knarrenden Stühlen und den ebenfalls nicht ganz standfesten Tischen mit den weißgescheuerten Holzplatten.
Die alten Leute erwiderten sein Lächeln und fragten nicht andauernd auf ihn ein, das war sehr angenehm. Sie hatten ihn schon am ersten Tag angesehen, als wäre er ein Weißer und hätte nichts Auffälliges an sich. Sie übersahen auch, daß er ohne Schuhe kam, was allen anderen Weißen offenbar sehr schwer fiel. Die rissen die Augen auf und brachten den Mund nicht mehr zu, wenn sie entdeckten, daß er vom Hals bis zu den Knöcheln korrekt gekleidet war, nur unterhalb der Knöchel nicht.
Aber war das alte Ehepaar im Speisehaus nicht der Beweis? Wenn der Mann oder die Frau mit zwei Tellern Suppe auf sie zukam, wie ungeschickt waren da ihre Füße, weil ihre Zehen nicht den Weg erkunden konnten und ihre Augen über die Tellerränder hinweg immer den Boden suchen mußten. Wie hätten sie da erst nachts durch den Wald gleiten können, da einem nur die Füße sagen konnten, wie der Boden unter dem nächsten Schritt beschaffen sein würde.
Heute gab es Nudelsuppe, und Ishi schämte sich, ansehen zu müssen, wie einige Nudeln im Bart von Batwi hingen, als wären sie aus seiner Haut gesprossen. Außerdem schlürfte Batwi entsetzlich, wenn er die Suppe löffelte. Dann gab es auf einem anderen Teller — über den zweiten, den flachen Teller freute sich Ishi immer besonders — gekochtes Fleisch mit kleingehackten, dick eingekochten grünen Blättern, die Batwi Spinat nannte, dazu Kartoffeln. Er spürte auch etwas Zwiebelgeschmack aus den Blättern, und er aß brav alles, was er bekam, nur, das Fleisch war wieder zu lange gekocht und die Blätter auch. Den Pudding, den sie als Nachspeise bekamen, rührte er nicht an. Batwi schlang ihn hinunter.
Fröhlich mit Batwi plappernd, ging er dann den noch unverbauten Hügel hinauf, der von verwildertem Grün bewachsen war. Manchmal spielten Kinder hier, wie ihm schien, entsetzlich laute Spiele. Sie lärmten und schrien, daß ihnen die Adern am Hals anschwollen.
Yahikinder hätten nie so geschrien. Für ein Yahikind war es gefährlich zu schreien. Alle Yahikinder wußten, draußen streiften die Weißen umher und suchten die Yahi und schossen auf sie, sowie sie ihnen vor das Gewehr
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