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Meine Spur löscht der Fluß

Meine Spur löscht der Fluß

Titel: Meine Spur löscht der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Othmar Franz Lang
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Tüchern bedeckt waren, und darauf standen eine Unmenge von Gläsern.
    Professor Kroeber holte seine Uhr aus der Westentasche,ließ den Deckel aufspringen, schnappte den Deckel wieder zu und steckte die Uhr wieder ein. Ishi begriff, daß der Professor erregt war, ebenso Mrs. Hearst, die sich noch schnell in eine Ecke zurückzog, einen Spiegel aus ihrem Täschchen zog und sich kritisch betrachtete, dann bestäubte sie sich das Gesicht, wahrscheinlich, um blasser auszusehen, als sie in Wirklichkeit war. Kaum hatte sie die Puderdose weggesteckt, öffnete der Pförtner unten zum erstenmal das Tor. Ein Mann und eine Frau traten ein und kamen die Treppe herauf, wie Waterman es Ishi vor einigen Tagen gezeigt hatte. Oben hatte sich schnell die Empfangsreihe formiert. Die Begrüßung begann.
    Ishi lief lautlos in das für ihn vorgesehene Zimmer und stand ruhig mit verschränkten Händen da. Als Kroeber ihn auf seinem Platz entdeckte und ihm aufmunternd zuwinkte, verneigte sich Ishi und lächelte.
    Da kamen schon die nächsten Gäste. Das Tor des Museums ging fast nicht mehr zu.
    Ishi stand auf seinem Platz und beobachtete alles. Es gab, obwohl sich fast immer das gleiche abspielte, doch sehr unterschiedliche Begrüßungen. Ishi begriff, daß die einen Freunde waren, die anderen nur flüchtige Bekannte, er erkannte auch am Verhalten der Personen in der Empfangsreihe den Rang des Gastes, der gerade begrüßt wurde. Und manchmal, bei besonderen Gästen, verließ Kroeber seine Reihe und ging mit dem Gast oder den Gästen zu Ishi hinüber.
    Er verstand, daß der mudjaupa »Mister Ishi« sagte und dann den Namen des Gastes. Und Ishi versuchte den Namen zu verstehen und nachzusprechen und sich das Gesicht zu merken, das zu dem Namen gehörte, und dazu zu lächeln. Er hatte nicht den Eindruck, daß das die richtigen Namen der Weißen waren, dafür war in seinem Denken kein Raum. Namen sprach man einfach nicht aus, und man fragte nicht nach ihnen. Wahrscheinlich sagten die Weißen nur ihre Spitz- oder Kosenamen, um damit ihre eigentlichen Namen zu schützen und ihn vor ihm, ganz wie es sich gehörte, zu verbergen.
    Nach dem zehnten Gast etwa war er schon so sicher, daß er Kroeber in Yana nach dem Namen der Leute fragte: »Achi djeyauna?« Wie ist sein Name? Wie heißt er?
    Kroeber lächelte und sprach den Namen sehr genau aus. Ishi wiederholte ihn und lächelte und reichte seine Hand, weil sie ihm gereicht wurde.
    Brachte Kroeber eine jüngere Frau mit, die vielleicht auch hübsch war, spielte sich alles ab wie sonst, nur errötete dann Ishi noch.
    »Er scheint einen großen Wert auf Namen zu legen«, sagte eine Dame im Weggehen, »nicht wahr, Professor?«
    »Für ihn sind Namen etwas Besonderes, deshalb haben sie für ihn einen gewissen Reiz. Er selbst würde seinen Namen nie sagen.«
    »Oh, warum denn nicht?«
    »Weil es sich für einen gut erzogenen Yahi nicht gehört. Professor Waterman und mich spricht er ebenfalls nicht mit Namen an, nur wenn wir nicht dabei sind, nennt er unsere Namen. Meinen bei Waterman und Watermans bei mir. Er überwindet sich sehr, wenn er hier nach den Namen fragt, bei seinesgleichen wäre das unstatthaft.«
    »Ja, aber warum nur?«
    »Sicherlich deshalb, weil der Name für ihn eine magische Formel ist, die Schutz gewährt. Wir tun das unbewußt, wenn wir unseren Kindern biblische oder Heiligennamen geben oder die Namen von Menschen, die Großes geleistet haben.«
    »Wie Sie über die Dinge nachdenken!« sagte die Dame, und der Professor stellte sich wieder zu den anderen.
    Zuletzt waren an die tausend Gäste im Haus. Eine unvorstellbare Zahl für Ishi, der lange Jahre in einer Welt gelebt hatte, in der es nur zwölf oder fünfzehn Menschen gab, dann nur fünf Und zuletzt nur noch ihn.
    Waterman kam mit seiner Frau zu ihm, und Ishi freute sich offensichtlich, unter den vielen Fremden auch ein ‘ bekanntes Gesicht zu sehen.
    Sie fragte ihn, wie ihm der Trubel gefiele, und er antwortete in Yana, und Waterman übersetzte, daß es ihm gut gefiele.
    Er kannte auch solche Feste, als sie noch mehrere Yahi waren. Bei einem Fest hätten sie auch die Fertigstellung eines neuen Winterhauses gefeiert, da waren sie viele. Sehr 3 viele sogar. Wie viele?
    Fünfzig ungefähr.
    Ishi versuchte, sein Lächeln im Gesicht zu bewahren, obwohl er sich plötzlich erinnerte, wie diese Feier zu Ende , gegangen war.
    Seine Mutter hatte ihn damals ins Dunkel gerissen, bevor der Knall des ersten Schusses sie erreichte. Sie hatte

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